"Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners."

(Heinz von Foerster)

 

 

Wenn ich wüßte, was die Wahrheit ist,

dann würde ich sie sagen.

Ich weiß sie nicht.

Ich habe sie mein Leben lang gesucht.

Ich hab' sie nicht gefunden.

Ich kann also nicht sagen, was die Wahrheit ist.

Doch kann ich sagen, was Nicht-Wahrheit ist.

Es wäre eine Lüge, wenn ich sagte:

"Ich weiß, was Wahrheit ist.

Ich habe sie gefunden."

 

 

Es gibt ja viele kleine Wahrheiten.

Die kann ich ehrlich mit Gewissheit sagen:

"Das Blut schmeckt salzig, Pfeffer scharf,

der Honig süß und Kaffee etwas bitter."

Doch das, das war mir nicht genug.

 

 

Auch sie sah ich, die eine große Wahrheit,

jedoch nur immer einen Teil, sah sie nie ganz:

Ich sah sie von verschiedenen Seiten:

Ich sah sie realistisch und auch skeptizistisch,

agnostizistisch wie illusionistisch.

Mein Blick auf sie war opti- und war pessimistisch,

war manchmal ideal- , war manchmal materialistisch.

 

 

Vielleicht sind alle Wahrheiten gemeinsam,

zusammen ja die eine ganze Wahrheit.

Doch würd' ich sagen:

"Ja, das ist die Wahrheit",

würd' ich auch damit lügen.

 

 

Vielleicht hab' ich die Wahrheit ja

schon längst, schon oft, schon immer wieder

in einer dieser Wahrheiten gefunden,

in jeder dieser Wahrheiten gefunden.

Ich hab' es dann jedoch noch nie bemerkt,

bis jetzt noch nicht gemerkt.

 

 

Was lässt mich denn vielleicht die Wahrheit doch noch finden?

Ich muss vielleicht nur aufhören, nach ihr zu suchen.

Vielleicht fängt dann von selbst die Wahrheit an,

durch mich sich einfach selbst zu leben -

als Liebe, Liebe zu allem, was ich weiß,

zu allem, was ich nicht weiß.


Wie sagt schon Rilke doch so treffend

(vielleicht erinnerst du dich, lieber Leser):

"Du musst das Leben nicht verstehen,

dann wird es werden wie ein Fest."