Gebären und Geboren-Werden
Geschrieben sind schon viele Worte
über das Töten und das Sterben -
Leben zu nehmen, zu verlieren, aus ihm raus zu geh'n.
Es sind nur wenige bisher geschrieben
über Gebären und Geboren-Werden -
Leben zu geben, zu gewinnen, in es rein zu geh'n.
Vielleicht liegt das ja daran, dass die meisten Worte
geschrieben sind von Männern,
die töten können, aber nicht gebären.
Jedoch von denen, die es können, die es kennen,
von Frauen, gibt es auch nicht viel.
Im folgenden Gedicht geht es sogar um drei Geburten:
um Mensch-Geburt, um Tier-Geburt, um Wort-Geburt.
Bei Menschen wird zum Schluss das Leben
auch der genommen, die das Leben gibt.
Und die Gebärende wie die Geborene,
die wissen das, wissen es beide.
Das Tier stirbt auch,
doch weiß es davon nichts.
Und Worte können - aufgeschrieben -
lang überleben Mensch und Tier.
Geburtstage
Sie ist tot.
heute ist ihr Geburtstag
das ist der Tag
an dem sie
in diesem Dreieck zwischen den Beinen ihrer Mutter
herausgewürgt wurde
sie
die mich herausgewürgt hat
zwischen ihren Beinen
sie ist Asche
*
immer denke ich
an die Geburt eines Rehs,
wie es die Beine auf den Boden setzte
*
Ich habe niemand ans Licht gezwängt
nur Worte
Worte drehen nicht den Kopf
sie stehen auf
sofort
und gehn
(Hilde Domin)
Publiziert am: Montag, 08. März 2021 (857 mal gelesen)
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