Heim zum Vater

 

Des Menschen Herz, das Paradies verloren,

sehnt sich zurück, will heim zum Vater.

 



 

Im Anfang
 


Hing an einer goldenen Lenzwolke,

als die Welt noch Kind war

und Gott noch junger Vater war,

schaukelte, hei!

auf dem Ätherei,

und meine Wollhärchen flatterten Ringelrei;

neckte den wackelnden Mondgroßpapa,

naschte Goldstaub der Sonnenmama;

in den Himmel sperrte ich Satan ein

und Gott in die rauchende Hölle.

Die drohten mit ihrem größten Finger

und haben "klummbumm! klummbumm!" gemacht,

und es sausten die Peitschenwinde.

Doch Gott hat nachher zwei Donner gelacht

mit dem Teufel über meine Todsünde;

würde zehntausend Erdglück geben,

noch einmal so gottgeboren zu leben,

so gottgeborgen, so offenbar.

Ja, ja,

als ich noch Gottes Schlingel war.


(Else Lasker-Schüler)



 



An Gott

 

 

Du wehrst den guten und den bösen Sternen nicht.

All ihre Launen strömen.

In meiner Stirne schmerzt die Furche,

die tiefe Krone mit dem düsteren Licht.

Und meine Welt ist still.

Du wehrtest meiner Laune nicht.

 

 

Gott, wo bist du?

Ich möchte nah an deinem Herzen lauschen,

mit deiner fernsten Nähe mich vertauschen,

wenn goldverklärt in deinem Reich

aus tausendseligem Licht

alle die guten und die bösen Brunnen - rauschen -

rauschen.

 

(Else Lasker-Schüler)

Publiziert am: Samstag, 06. Februar 2021 (748 mal gelesen)
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