Noch jung, schon alt
Wenn du noch jung bist,
Halb-Marathon läufst,
an einem halben Tag - mal eben -
den ganzen Garten umgräbst,
sagst du vielleicht zu deiner Freundin:
„Wir müssen doch gar nicht den Bus nehmen.
Die kurze Strecke können wir doch laufen.“
Doch wenn du keine Zeit hast,
weil du so viel zu tun hast,
dann sagst du vielleicht auch:
„Müssen wir denn laufen?
Wir können doch den Bus nehmen.
Das geht schneller.“
Wenn du schon älter bist,
nicht mehr Halb-Marathon läufst,
den Garten jetzt ein Jugendlicher umgräbt,
du darauf achten musst, dass du nicht Fett ansetzt,
weil du den ganzen Tag fast nur noch rumsitzt,
sagst du vielleicht zu deiner Frau:
„Müssen wir denn den Bus nehmen?
Wir können doch ein bisschen laufen.
Etwas Bewegung wird uns gut tun.“
Und wenn du wirklich alt bist,
sagst du zu deiner Frau:
„Wir können diese Strecke nicht mehr laufen.
Wir müssen doch den Bus nehmen.“
Kommentar:
Folgende Klage wird Goethe zugeschrieben:
Gerne der Zeiten gedenk’ ich,
da alle Glieder gelenkig -
bis auf eins.
Doch die Zeiten sind vorüber,
steif geworden alle Glieder -
bis auf eins.
Vielleicht macht dieser körperliche Abbau und Verfall aber auch nicht mehr viel, weil sich die Wertschätzung der Ehefrau im Laufe der Jahre folgendermaßen verändert hat:
Mit 30, kurz nach der Heirat :
Überschwänglich: „Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen?“
10 Jahre später:
Nüchtern-kühl: „Darf ich vorstellen? Meine Frau!“
10 Jahre später:
„Können Sie sich das vorstellen? Das ist meine Frau!“
10 Jahre später:
„Stellen Sie sich doch bitte vor meine Frau!“
Nun, diese Schilderung, wie sich die Haltung gegenüber der Partnerin im Laufe der Zeit entwickelt, habe ich mal von einem Kabarettisten gehört, der im Hauptberuf Jesuitenmönch war.
Der hat - scherzhaft oder wirklich ernst gemeint - mit dieser Veränderung der Einstellung das Zölibat begründet.
Etwas Ähnliches spricht wohl auch Frank Baer in seinem historischen Roman „Die Brücke von Alcantara“ an:
Der Dichter Abu Dulama trat vor al Chaizuran hin, die erhabene Herrin, die Gemahlin des großen Kalifen Harun ar Rashid, und sagte:
„O Herrin, ich bin ein alter Mann, wenn du mir Gutes tust, wirst du dir großen Lohn erwerben.“
„Was willst du?“, fragte sie.
Er verbeugte sich und sagte:
„Schenk mir eine deiner Sklavinnen, o Herrin!
Ich brauch etwas, was nett ist,
was lieb zu mir im Bett ist;
denn meine Frau ist alt,
wo sie heiß war, ist sie kalt,
wo sie glatt war, ist sie faltig,
und ihr Hintern ist gewaltig.“
Al-Chairuzan antwortete lachend: „Ich werde deinen Wunsch erfüllen.“
Die Geschichte geht noch interessant und spannend weiter. Aber das kannst du, lieber Leser, ja selber lesen (auf Seite 120 der Taschenbuchausgabe aus dem Goldmann-Verlag, wenn die Ausgabe nicht inzwischen vergriffen ist). Ich kann dir diesen historischen Roman nur wärmstens empfehlen. Er ist einer der besten, den ich kenne. Er vermittelt ein sehr schönes Bild davon, wie die Gläubigen der drei abrahamitischen Religionen, der jüdischen, christlichen und islamischen, im Spanien des späten 11. Jahrhunderts zusammen - und gegeneinander - gelebt haben.
Dass solche Bemühungen auch schief gehen können, zeigt folgender Witz:
Ein 60jähriger Mann, verheiratet mit einer ebenfalls 60jährigen Frau, begegnet einer Fee, die ihm die berühmte Feenfrage stellt: „Wünsch dir was! Ich werde es dir geben.“
Der Mann sagt: „Dann wünsche ich mir eine 30 Jahre jüngere Frau.“
Die Fee sagt: „Gut, dann bist du jetzt 90.“
Gott sei Dank gibt es ja auch andere Entwicklungen.
Gott sei Dank gibt es ja auch noch Männer, die das alte (chinesische?) Sprichwort beherzigen:
Eine schöne Frau ist eine kurze Zeit lang gut.
Eine gute Frau ist ein Leben lang schön.
Und ein rührendes Beispiel dafür, dass liebevolle Wertschätzung zwischen Mann und Frau bis ins hohe Alter erhalten bleiben kann,
gibt Reinhard Mey in seinem Lied „Jahreszeiten“:
Publiziert am: Donnerstag, 11. Februar 2016 (1026 mal gelesen)
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