Die Brücke
Das Bild, das ich von dir hab' , ich von mir hab',
das Bild, das du von dir hast, du von mir hast,
die Bilder, die wir von uns malen, sind nicht wirklich.
All diese Bilder sind nicht wirklich wahr.
All diese Bilder sind nicht wirklich wir.
Das, was wir wirklich sind, ist das,
was uns verbindet, uns gemeinsam ist.
Das, was wir wirklich sind,
liegt zwischen mir und dir.
Ich seh' zwei Häuser, die im Dunkeln liegen.
Die Mauern wirken grau und blass im Regendunst,
vom trüben Dämmerlicht nur matt beschienen.
Sie sind nur schattenhaft und nebelig zu sehen.
Verbunden sind sie durch zwei schöne Galerien,
doppelte Reihen schlanker roter Marmorsäulen.
Die sind von vielen Fackeln hell erleuchtet,
In gold'nem Licht glänzt ihre vollen Pracht.
Stell dich zuerst auf diese Brücke, die das Band ist,
das überspannt den Graben, der die Häuser trennt.
Von da aus kannst du auch sie selber deutlich seh'n.
Und du erkennst erstaunt: Auch sie sind wunderschön.
"Jedes Geschöpf ist mit einem anderen verbunden,
und jedes Wesen wird durch ein anderes gehalten."
(Hildegard von Bingen)
Publiziert am: Freitag, 02. Oktober 2020 (874 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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