Fülle hinter Mauern


 

Als ich einmal das I Ging, das Buch der Wandlungen, befragte,

gab es mir diese Antwort:

Im Überfluss sein Heim

(wie Schweben am Himmel).

Seinen Hausstand schützend

schaut er aus seinem Tor.

So ruhig, keine Menschen.

Drei Jahre lang erscheint er nicht.

(Er hält sich selbst entfernt von Anderen.)

Unheil!

(I Ging, 55 - Feng - die Fülle, oben eine Sechs)


 


Das hat mich zu folgendem Gedicht angeregt:

Mit reicher Pracht hast du gefüllt dein Haus;
und fest verriegelt hältst du seine Tür.
Durch sie kommt niemand rein, geht keiner raus.
Das, was du hast, verbirgst du hinter ihr.

 

Die Straße ruft, du antwortest nicht mehr.
Du liebst die Stille, nicht Gewühl, Lärm und Verkehr.
Das Gästezimmer steht schon lange leer.
Und auch das letzte Fest ist lange her.

 

Dein Gold und Silber liegt in sicheren Banken.
Du baust dir dadurch Mauern, schaffst dir Schranken.
Kein frohes Lachen dringt noch an dein Ohr.
Kein Freund klopft freudig an dein Tor.

 

Das, was du kannst, hältst du zurück in dir.
Du weißt recht viel, du weißt nicht mehr, wofür.
Ein Hund kann träge dösen in der Sonne.
Ein Mensch jedoch kann nicht nur ruh’n in Seelenwonne.

Wenn du verharrst in dir, wirst du dich selbst verraten.
Der Geist wird voll, wird ganz in äußeren Taten.
Er bleibt nicht gern begrenzt auf Inneres allein.
Er will auch offen, überall und alles sein.

 

Du suchst beschirmt durch Wände in dir Frieden,
hast dafür alles, was die Ruhe stört, gemieden.
Doch findet Frieden unter Menschen in der Welt
nur der, der sich mit Mut dem Strom des Lebens stellt.  





Kommentar:

Sammle nichts an, um es für dich zu horten,

damit es ganz allein nur dir gehört!

Was schon zusammen ist, das bring' zusammen!

Mache nur sichtbar, wo es hingehört!

Was ganz gemeinsam ist, soll nicht nur dir gefallen.

Häng' es nicht an die Wand in deinem Haus!

Was nicht geteilt ist, das teilst du mit allen.

Teil' es mit vollen Händen frei an alle aus!


 

Du bist kein Teil - 

vom Ganzen abgetrennt.

Du nimmst an allem teil,

teilst dich mit allen.

Denn alles ist geteilt mit allem.


 


"Stell dir den Ozean vor oder den Gepard, die Sonne oder den Mond oder GOTT selbst, ...  Sie sind das gleiche wie du. Alles existiert in dir. Du bist das Universum selbst.

Es ist ein miteinander geteiltes Universum ohne Trennungen. Es gibt keine Ausschnitte, keine Teilstücke, kein Innen und kein Außen, keine Träume und Illusionen, die entkommen oder sich verstecken können, verschwinden oder aufhören zu sein. Es gibt keinen menschlichen Zustand, der nicht in allen Menschen existiert. Es ist vollkommen unmöglich für jemanden, etwas zu haben, was ein anderer nicht hat. Alles wird geteilt. Das war immer wahr, und ist für immer wahr. Die Wahrheit ist die Wahrheit. Es gibt keine Abstufungen der Wahrheit."


(Ein Kurs der Liebe, Kapitel 3, 3-4)

 

 

 

 

 

Publiziert am: Dienstag, 21. April 2020 (1024 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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