Ab und zu kommen zu mir Menschen, die sich zu viele Gedanken darüber machen, was andere Menschen über sie denken. Denen erzähle ich dann manchmal Folgendes:
„Sie haben sich angewöhnt, aus einem Grundkonzept heraus zu denken und zu handeln, in dem vor allem wichtig ist, wie andere Menschen zu Ihnen stehen.
Dieses Grundkonzept möchte ich Ihnen mal anhand einer Zeichnung veranschaulichen:
Zunächst mal nehmen Sie an, dass um Sie herum bei den anderen Menschen mächtige Energien, starke Kräfte vorhanden sind, die ich hier in der Graphik durch ellipsenartige Gebilde darstelle, die ich im Kreis anordne. Ich zeichne in einige dieser Gebilde einen Punkt ein. Das sind mächtige Augen. In andere zeichne ich einen waagerechten Strich. Das sind mächtige Münder. Und in wieder andere zeichne ich zwei „parallele“ Wellenlinien ein: das sind mächtige Gehirne.
Das zweite, was sie sich angewöhnt haben, ist: Sie nehmen an, dass sich alle diese mächtigen Kräfte bei den anderen Menschen auf Sie richten. Ich markiere die Stelle, wo Sie in der Mitte zwischen diesen Kräften stehen, eingekreist von diesen starken Energien der Anderen, mit einem kleinen x, und zeichne dann Pfeile, die von diesen Kräften ausgehen und sich alle auf Sie richten.
Wenn Sie sich nun vorstellen, jemand steht an der Stelle, die durch das x markiert ist, was glauben Sie, fühlt sich der da wohl? Nein, schon in der Graphik sieht es ja so aus, als würde das, was sich an dieser Stelle befindet, von den Pfeilen immer mehr zusammengedrückt, so dass es immer mehr zu einem Punkt zusammenschrumpft. Ich zeichne deshalb drittens um die mit dem x markierte Stelle einen kleinen Kreis, der sich immer mehr zusammenzieht, immer kleiner wird, gegen 0 schrumpft.
Die Alternative zu diesem Grundkonzept wäre ja, vor allem wichtig zu nehmen, wie Sie zu den Anderen stehen – ein grundlegendes „Umdrehen“ der Perspektive: von Ihnen auf die Anderen zu - statt von den Anderen auf Sie zu.
Auch das veranschauliche ich wieder durch eine Graphik, die eine entsprechende Umstülpung darstellt. Von innen nach außen - statt von außen nach innen, und zwar sowohl in der Richtung als auch in der Reihenfolge:
Statt des kleinen Kreises, der immer mehr zusammenschrumpft, zeichne ich jetzt als erstes in die Mitte einen großen Kreis, der sich immer mehr ausdehnt.
Als nächstes zeichne ich wieder die Pfeile, doch jetzt so, dass sie sich nicht von den großen „Außengebilden“ auf den kleinen Kreis in der Mitte richten, sondern so, dass sie sich von dem großen Kreis in der Mitte nach außen richten.
Und zum Schluss zeichne ich wieder die Außengebilde – an dieselbe Stelle, in derselben Größe. An denen hat sich gar nichts geändert, muss sich auch gar nichts ändern, weil sie im Grunde keine Rolle spielen.
Schauen wir uns jetzt noch mal die mittlere Zeichnung an! Stellen Sie sich doch mal vor, ein Kind hätte so was im Kindergarten gemalt! Was könnte das dann sein?
Ja, eine Sonne.
Und das passt auch sehr schön. Denn wenn eine Sonne Bewusstsein, Selbst-Bewusstsein hätte, würde sie sehr wahrscheinlich sagen:
„Ich weiß, was ich bin: Licht und Wärme. Und das, was ich bin, strahle ich einfach aus, drücke ich einfach aus. Ich bin Selbst-Ausdruck von Selbst-Bewusstsein.“
Was die Sonne sagt, könnte jetzt in zwei Varianten weiter gehen.
Die erste Variante ist etwas ego-zentrisch. Doch wenn es um das eigene Leben geht, nicht um das Leben der anderen, ist diese Perspektive ja durchaus berechtigt. Die Sonne könnte sagen:
„Um mich herum, da gibt es andere Gebilde, die sich Planeten nennen. Wie ich gehört habe, haben die auch bestimmte Namen. Der eine heißt Saturn, ein anderer Venus. Ach ja, da gibt es auch einen, der sich für was Besonderes hält – der heißt Erde. Für diese Körper um mich herum scheint das, was ich bin und ausdrücke, wichtig zu sein, anscheinend besonders für diese Erde. Es wäre nicht gut für sie, wenn sie zu meinem Licht und meiner Wärme eine ablehnende Haltung einnehmen würden. Doch für mich ist es völlig gleichgültig, wie sie zu mir stehen. Ich bin einfach, was ich bin, und drücke einfach aus, was ich bin, unabhängig davon, ob sie mich lieben oder hassen, wichtig nehmen oder nicht.“
In einer nicht-ego-zentrischen Variante könnte die Sonne sagen:
„Ich bin eine Sonne. Und um mich herum sind auch Sonnen. Es gibt größere Sonnen, ältere Sonnen. Es gibt kleinere Sonnen, jüngere Sonnen. Doch alle sind Sonnen, verwandt und ähnlich. Alle sind Brüder und Schwestern. Ich bin eine Sonne unter Sonnen.
Alle Sonnen haben dieselbe Substanz: Licht und Wärme.
Wenn eine andere Sonne Licht und Wärme zu mir schickt, trifft sie auf dasselbe: Licht und Wärme.
Und wenn ich Licht und Wärme zu einer anderen Sonne schicke, treffe ich auf dasselbe: Licht und Wärme.
Wenn eine andere Sonne mit mir gemeinsam in die gleiche Richtung strahlt, bündeln und erweitern wir die eigene Strahlkraft. Wir strahlen zusammen stärker als jede für sich alleine.“
Nun sind wir leider keine Sonne. Eine Sonne ist ein für irdische Maßstäbe fast unerschöpfliches Reservoir an Energie. Die Sonne kann beliebig viel in die Umgebung geben; sie verausgabt sich dadurch nicht. Wenn wir aber nur nach außen abgeben, geben wir uns auf. Wir müssen auch nehmen, uns irgendwann wieder auffüllen, aus der Umgebung schöpfen.
Stellen Sie sich daher als notwendige Ergänzung noch mal die mittlere Zeichnung vor, den großen Kreis in der Mitte mit den Strahlen nach außen. Und denken Sie sich jetzt einmal, das sei eine Riesenkrake mit Fangarmen. Diese Riesenkrake hat die ganz selbstverständliche Haltung: Alles hier um mich herum gehört mir. Und wenn die Riesenkrake etwas sieht, was sie gebrauchen kann, greift sie mit ihren Fangarmen danach und holt es sich.
Wir müssen beides sein - gebende Sonne und nehmende Riesenkrake.
Ich habe deshalb das, was ich gezeichnet habe, „Sonnenkrake“ genannt.
Nun, was ist denn eine „Sonnenkrake“?
Es ist ein Wesen, das in ihren eigenen Kräften lebt, gebend und nehmend. Es ist ein Wesen, das mit diesen eigenen Kräften die Welt gestaltet. Mit ihren Händen Anderen gibt, was sie brauchen, was sie ihnen schenken will; mit ihren Händen sich selbst das holt, was sie braucht. Als Sonne lebt sie von sich weg auf Andere zu. Als Krake lebt sie von sich weg und wieder auf sich zu. Aber in beiden Fällen lebt sie in der Haltung, die sie selbst zu Anderen einnimmt. Welche Haltung Andere zu ihr einnehmen, ist für sie unwichtig. Sie kümmert sich nicht um die Hände der Anderen. Sie wartet nicht darauf, dass Andere ihr die Hand entgegenstrecken. Sie streckt als erster ihre Hand aus und zieht sie auch nicht sofort zurück, wenn sie von dem Anderen nicht ergriffen wird. Sie wartet nicht darauf, dass andere Hände ihr etwas geben. Sie greift mit ihren eigenen Händen selbst danach.
Leben Sie als Sonnenkrake – meistens als Sonne, manchmal auch als Krake!
Leben Sie in Ihren eigenen Füßen, nicht in den Füßen der Anderen!
Gehen Sie auf Andere zu!
Warten Sie nicht darauf, dass andere auf Sie zugehen!
Leben Sie in ihrem eigenen Mund, nicht im Mund der Anderen!
Nehmen Sie wichtig, was Sie zu ihnen sagen, was Sie über sie sagen!
Nehmen Sie nicht wichtig, was Andere zu Ihnen sagen, was Andere über Sie sagen!
Das ist unbedeutend.
Leben Sie in Ihrem eigenen „Gehirn“, nicht im „Gehirn“ der Anderen!
Nehmen Sie wichtig, was Sie über die Anderen denken!
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Denken von Annehmen und Ernst-Nehmen der Anderen, Interesse und Fürsorge bestimmt ist!