Rudolfo Kithera
Ursprünglich hatte ich mich für Adolfo als Vornamen entschieden. „Adolfo“ weckt natürlich sofort Erinnerungen an einen gewissen Adolf H., die Verkörperung dunkler und böser Mächte schlechthin. Doch es ist schade, dass dieses Monster und Scheusal einen Namen so sehr mit einer schrecklichen Bedeutung belastet hat, dass wohl kaum einer in absehbarer Zukunft seinem Sohn diesen Vornamen geben wird ( selbst ein überzeugter Neo-Nazi würde es wohl nicht wagen; oder vielleicht doch?), obwohl er vom Klang her eigentlich sehr schön ist. Er beginnt mit dem „A“ wie mit ausgebreiteten Armen und mit nach oben geöffneten Händen, geht dann über in die auf das Du weisende Geste des „D“, fließt weiter in das umarmende „O“, das Lebendiges symbolisierende „L“, das gleichmäßige Blasen des „F“ wie ein sanfter, milder Wind, und in der klangvollen italienischen Form geht er zum Schluss wieder in das offene „0“ über, endet und bleibt in der Umarmung.
Ich wollte also das "böse" Adolf von seinem Makel befreien und in das unbelastete, schöne (und damit gute) Adolfo verwandeln - nach dem Motto Christian Morgensterns: "Mache das Böse gut!"
Das „Gute“ besteht darin, sich dem „Bösen“ zuzuwenden, sich mit ihm auseinanderzusetzen und es zu verwandeln. Ohne eine solche Auseinandersetzung ist scheinbares Gut-Sein nur Flucht vor einem Teil der Realität, Nicht-Sehen-Wollen, Nicht-Wissen-Wollen, das bei Buddha neben dem Begehren und dem Hass das dritte „Geistesgift“ ist.
Dass diese Auseinandersetzung mit und Verwandlung des „Bösen“ nicht anstrengend und schwierig sein muss, daran erinnert mich immer wieder ein Bild, das über dem Klavier in meinem Wohnzimmer hängt. Ich habe eine Zeit lang Bilder, die mich beeindruckten, mit Wachsfarben nachgemalt, und eines dieser Bilder ist ein Aquarell von Emil Nolde gewesen. Auf diesem Bild wird eine recht kleine Sonne von übermächtig erscheinenden rot-schwarzen Wolken bedrängt und bedroht. Aber mit welcher Souveränität macht die Sonne dennoch klar, dass sie letztlich das Bild beherrscht, nicht etwa dadurch, dass sie etwas gegen die sie angreifenden Wolken tut, sondern indem sie einfach da ist und ausdrückt, was sie ist, Licht, das sich ausdehnt, nach außen strahlt, alles Dunkle dabei auflösend, erlösend und verwandelnd.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis,
und die Finsternis hat es nicht eingenommen.
(Joh1, 5)
Von mir „gefälscht“: Emil Nolde, Abendglut, 1939
Ich hatte also gute Gründe, „Adolfo“ als Vornamen zu wählen. Doch als ich den Textentwurf meiner Frau vorlas, äußerte sie Bedenken (gelinde ausgedrückt; tatsächlich erhob sie Einspruch). „Adolfo“ war ihr zu skurril und provokativ. Ich ließ mich von ihr überzeugen. Die Wahrscheinlichkeit, damit unnötig Anstoß zu erregen, war zu groß. Ich folgte der alten Karate-Regel „Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf“, und begann, nach Alternativen zu suchen. Der neue Name sollte eine ähnliche Harmonie zwischen Vokalen und Konsonanten enthalten. Um zusammen mit dem Nachnamen Kithera einen rhythmischen Fluss zu ergeben, sollte es wieder ein dreisilbiges Wort mit der Betonung auf der zweiten Silbe sein. Weibliche Vornamen kamen von Vorneherein nicht in Frage. Ich wollte nicht so verrückt sein, mir als Mann ein weibliches Pseudonym zuzulegen. Mir fiel zuerst „Adelpho“ ein. „Adelpho“ heißt auf Altgriechisch Bruder, außerdem weckt es Anklänge an Delphi, die berühmte Orakelstätte des Sonnengotts Apoll. Es hätte ja auch zum ebenfalls griechischen Nachnamen gut gepasst. Aber „Adelpho“ war kein gebräuchlicher Name, war eine Neuschöpfung, die sofort wieder Fragen aufwarf. Also probierte ich weiter aus, kam auf Gandolfo, Orlando, Anselmo, Umberto, Alfonso, Aljoscha, Arjuna ( den Freund Krishnas im Mahabharata), Ananda (den Vetter und nahen Schüler Buddhas). Aber die Klangfolgen dieser Namen gefielen mir alle nicht so gut wie die von „Adolfo“. Es war wirklich eine Schande, dass dieser so schöne Name so unselig besudelt war. Schließlich hatte ich den erleuchtenden Einfall: Rudolfo. Darin war die schöne Klangfolge von Adolfo weitgehend erhalten. Als ich dann im Gesamtnamen Rudolfo Kithera die schon im ersten Gedicht angesprochene Vokalabfolge U O I E A entdeckte, war mir klar, dass ich sogar noch einen besseren Vornamen gefunden hatte, und bin dabei geblieben.
Publiziert am: Montag, 23. März 2020 (1009 mal gelesen)
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