Tun und Nicht-Tun
Ich bin, was jetzt da ist.
Ich bin, was jetzt geschieht.
Ich bin, was ich tue,
was erst durch mich jetzt da ist,
was jetzt durch mich geschieht.
und
Ich bin, was ich nicht tue,
was ohne mich schon da ist,
was ohne mich geschieht.
Ich bin Tun
und
ich bin Nicht-Tun,
bin Tun und Da-Sein-Lassen.
und
Ich bin auch Tun im Nicht-Tun,
bin auch im Nicht-Tun Tun.
denn im Tun ist Lassen,
und im Lassen Tun.
und
Ich bin auch weder Tun noch Nicht-Tun,
bin ohne etwas, das geschieht,
weil nichts geschieht -
durch mich nicht und nicht noch ohne mich.
Kommentar:
He who in action sees inaction
and in inaction sees action
is wise among men.
He is united,
he has accomplished all action.
Wer im Handeln Nicht-Handeln sieht
und im Nicht-Handeln Handeln,
ist weise unter den Menschen.
Er lebt in der Einheit,
er hat alles Handeln voll-endet.
(Bhagavad-Gita IV, 18)
Der Himmel tut nichts.
Dieses Nichts-Tun ist Würde.
Die Erde tut nichts.
Dieses Nichts-Tun ist Ruhe.
Aus der Vereinigung dieser beider Nichts-Tun
beginnt alles Tun.
Und alle Dinge entstehen.
(Chuang Tzu)
Das Gedicht ist so aufgebaut, dass es das Gegensatzpaar von Tun und Nicht-Tun in den vier Aussagen verknüpft, die möglich sind:
Ich bin Tun.
Ich bin Nicht-Tun.
Ich bin sowohl Tun als auch Nicht-Tun.
Ich bin weder Tun noch Nicht-Tun.
Nagarjuna, der große Philosoph des Mahayana-Buddhismus, würde vielleicht beweisen, dass alle vier Aussagen in sich widersprüchlich sind und deshalb nicht aufrechterhalten werden können.
Er hat uns ja gezeigt - lange vor Hermann Hesse:
Alles, was mit Worten gesagt werden kann, ist einseitig.
Publiziert am: Donnerstag, 19. März 2020 (1120 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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