Leben in dem, was gut genug ist
Sonnenblumenfelder und Müllkippe
Ich habe mein Haus auf einen Hügel gebaut. Von der Terrasse aus konnte ich - bis vor Kurzem - auf eine wunderbare Landschaft schauen, von links nach rechts nichts als Sonnenblumenfelder, so weit das Auge reicht. Vor einiger Zeit hat nun der Gemeinderat beschlossen, am Rand der Sonnenblumenfelder eine Müllkippe anzulegen, die 10 % meines Sehfeldes einnimmt. Natürlich kann ich mich so sehr über diese hässliche Störung der Landschaftsharmonie aufregen, dass meine Aufmerksamkeit davon völlig absorbiert wird, ich nur noch die Müllkippe sehe. Vielleicht lass ich mich sogar dazu verleiten, auf die Müllkippe zuzugehen, sogar in sie reinzulaufen, so dass ich jetzt wirklich nur noch von Müll umgeben bin, wirklich nichts anderes mehr als Müll sehen kann.
Ich kann, aber ich muss nicht. Ich habe zwei Alternativen:
Statt in die Müllkippe reinzulaufen, kann ich natürlich genauso in die Sonnenblumenfelder reinlaufen, die es ja immer noch gibt, die ja durch den Bau der Müllkippe nicht verschwunden sind. Dann sehe ich nichts anderes als Sonnenblumen um mich herum.
Oder ich kann ruhig auf der Terrasse sitzen bleiben, wie bisher in die Landschaft schauen, meinen Blick von links nach rechts schweifen lassen, oder die Landschaft als Ganzes, mit einem Blick erfassen, und mir dann sagen: Diese Landschaft besteht immer noch zu 90 % aus wunderschönen Sonnenblumenfeldern. Die Müllkippe nimmt doch nur 10 % am Rand ein. Deshalb ist diese Landschaft - auch mit der Müllkippe - immer noch eine schöne Landschaft.
Was zwingt mich denn, was hindert mich
Warum muss ich denn jetzt,
in diesem Augenblick,
im Mangel leben,
dem, was fehlt?
Was hab' ich denn davon,
in diesem Augenblick,
Mängel zu sehen
und Fehler?
Was hindert mich daran,
das, was jetzt ist, zu lieben,
mit allem, was ich hab’,
mit allem, was ich bin,
es mangelfrei zu sehen,
es mängelfrei zu finden?
"Was zwingt mich jetzt,
nicht jetzt zu leben?
Was zwingt mich jetzt,
jetzt nicht zu lieben?"
Wenn ich nur "nichts" als Antwort finde,
kann ich jetzt Liebe leben,
kann jetzt das Leben lieben;
und will auch, was ich kann:
will leben, was jetzt ist -
will lieben, was jetzt ist.
Jetzt!
Publiziert am: Sonntag, 07. Februar 2016 (1271 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
[ Zurück ]