Im Ruhestand

(Rentnerlied)



Ich bin jetzt kein Gestalter mehr,

bin nur noch ein Verwalter,

der das, was wertvoll ist, erhält,

für kommende Zeitalter.

 

Nichts Neues mehr erschaffe ich,

genieß, was ich schon schuf,

und mache jetzt als freies Spiel,

was früher war Beruf.
 


Ich bin zu nichts berufen mehr,

niemand ruft mich zur Pflicht.

Kein Anderer sagt mir noch: "Du musst!" -

und auch ich selber nicht.
 


Ich will jetzt keine Worte mehr

fügen zum Reim-Gedicht,

will sie nicht mehr bedeutsam machen,

belasten mit Gewicht.
 


Erleichtert will ich lachen nun,

weil nichts ich wichtig nehm',

anstatt Geschirr aus Ton zu brennen,

matsch ich im feuchten Lehm.

 

 

 

und:
 

 

 

Brenne bis zuletzt


 

Mein Feuerbruder, brenne!

Brenn bis in das Erlöschen!

Brenn bis zuletzt mit Kraft!

 

Sei nicht schon jetzt, zu früh,

nur noch ein schwaches Flämmchen,

das immer mehr verglüht!

 

Wir sind doch Fackeln, Sterne,

die da sind, um zu lodern,

die da sind, um zu leuchten.

 

Wenn wir nicht mehr bereit sind,

zu lodern und zu leuchten -

als starke Flamme, heller Stern - ,

 

dann sind wir nicht mehr das,

wofür wir da sein sollen.

Dann sind wir nicht mehr da.

 

 

(nach Hilde Domin, Appell)


 

Publiziert am: Mittwoch, 04. März 2020 (972 mal gelesen)
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