Unbesiegbarkeit

 

Wenn ich durch Krieg besiegen will,

kann ich nicht wirklich siegen.

Ein Sieg beendet zwar den Kampf,

doch führt zu neuen Kriegen.

 

Gewinnen kann ich keinen Krieg,

Ich kann ihn nur verlieren.

Gewinnen kannst du nichts durch Krieg.

Du kannst nur viel verlieren.

Auch wer gewinnt, verliert den Krieg.

Auch, wer gewinnt, verliert durch Krieg.

Denn das, was ich durch Krieg gewinn,

werd' ich durch ihn verlieren.

 

Denn wer den Krieg verloren hat,

denkt rachsüchtig an Vergeltung.

Er strebt danach - im Stolz verletzt,

gedemütigt, beschämt, entehrt,

am Boden liegend voller Wut -

die Schmach schon bald zu tilgen,

indem er mich zu Boden wirft,

und abzuwaschen durch mein Blut

die würdelose Schande.

Er sinnt darauf bei Tag und Nacht,

mit allen Mitteln, aller Macht,

mich wieder zu bekriegen. -

Er will zurück, was er verlor,

mich unbedingt besiegen.

 

Ein Sieg durch Kampf, ein Sieg durch Streit,

der ist kein Sieg für immer.

Immer führt er zu neuem Leid,

und Frieden, der kommt nimmer.

 

Nur wenn ich nicht mehr siegen will,

dann kann ich wirklich siegen.

Nur wenn ich nicht mehr kämpfen will,

will niemand mich bekriegen.

Und wenn niemand mehr kämpft mit mir,

kann niemand mich besiegen.

 

Nur wenn ich nicht mehr siegen will,

dann siege ich auf Dauer.

Wenn ich mich nicht mehr schützen will

durch eine hohe Mauer.

 

Ich bin nicht unbesiegbar dann,

wenn keiner wagt den Streit mit mir,

wenn keiner mit mir kämpfen kann.

Er wird es können – irgendwann.

 

Ich bin nicht unbesiegbar, dann,

wenn er mich um mein Glück beneidet,

weil durch mein Glück er selber leidet.

 

Ich bin nicht unbesiegbar, dann,

wenn er nur Frieden hält aus Furcht,

bedroht von Übermacht.

Die Freundlichkeit, die er mir zeigt,

die ist geheuchelt, ist nicht echt,

sein Lächeln ist verlogen.

In Wahrheit sieht er mich als Schurke und als Dieb.

Er fühlt zu recht sich um sein Recht betrogen.

 

Ich bin nicht unbesiegbar,

wenn er eingeschüchtert sich nicht traut,

sich das zurückzuholen, was ich ihm geraubt.

 

Ich bin dann unbesiegbar,

wenn der Andere glaubt,

dass er schneller auf seinem Weg das Ziel erreicht,

wenn er ihn geht mit mir an seiner Seite,

gemeinsam und vereint, als Partner und als Freund,

als wenn er ohne mich alleine geht,

oder gegen mich anstürmt als sein Feind.

 

Ich bin dann unbesiegbar,

wenn der Andere mit mir etwas aufbaut, etwas macht,

was beiden gut tut, beiden nutzt, beide bereichert

er auf dem Richtfest fröhlich mit mir lacht.


Das, was du für den Anderen tust,

das, was du mit dem anderen tust,

das macht dich unbesiegbar.

Wenn du ihm das gibst, was er braucht

wenn er von dir kriegt, was er will,

wenn er mit dir tut, was ihr wollt,

will er dich nicht bekriegen,

hat keinen Grund zum Kampf mit dir,

muss dich nicht mehr besiegen.

 

 

 




Kommentar:


Die das Schwert ergreifen, werden durch das Schwert umkommen.

(Mt 26, 52)


Was einmal besiegt wird,

muss immer besiegt werden.

(Krishnamurti)



 

 

Das wohl überzeugendste Beispiel dafür, dass Sieg durch Krieg nur zu neuem Krieg führt,

ist die „Erbfeindschaft“zwischen Frankreich und Deutschland in der Neuzeit:

 

Die begann damit, dass sich die Habsburger, Könige der Weltmacht Spanien und deutsche Kaiser, ein Reich zusammenheirateten, das sich wie ein einengender Ring um das Königreich Frankreich legte: von Spanien, Besitzungen in Italien, der Freigrafschaft Burgund (die heutige Franche Comté), den Reichsfestungen Metz und Toul bis zum heutigen Luxemburg und Belgien, (die damals zu Spanien gehörten).

Es ist durchaus verständlich, dass Frankreich die Übermacht dieses Weltreichs, „in dem die Sonne nicht unterging“, als so bedrohlich erlebte, dass es Jahrhunderte lang das erste und höchste Ziel seiner Außenpolitik war, diesen einschnürenden Sperrriegel aufzusprengen.

Eine Übersteigerung dieser aggressiven Osterweiterung waren jedoch dann die „Raubkriege“ Ludwigs des XiV. Manche Burg an Rhein und Mosel ging damals in Flammen auf und ziert seitdem nur noch als romantische Ruine die anmutige Landschaft des Rheinischen Schiefergebirges.
 

Die Saat des Hasses, die damals in die Seele des deutschen Brudervolks gesenkt wurde (das Königreich Frankreich ist ja genauso aus dem Frankenreich Karls des Großen hervorgegangen wie das Heilige Römische Reich Deutscher Nation), war so nachhaltig, dass noch 1870 im Krieg gegen das Frankreich Napoleons des Dritten deutsche Soldaten auf die Frage, gegen wen sie denn eigentlich kämpften, die Antwort gaben: „gegen Ludwig den XIV.“

 

Das Frankreich des „Sonnenkönigs“ war damals den kleinen deutschen Nachbarstaaten so überlegen, dass sich Ludwig der XIV wohl gar nicht vorstellen konnte, dass sich dieses Kräfteverhältnis einmal umkehren könnte. Es schien keinen Grund zu geben, als Sieger die Rache der gedemütigten Besiegten zu fürchten. Doch schon 100 Jahre nach seinem Tod geschah das damals nicht Denkbare: Im siegreichen Feldzug gegen Napoleon drangen preußische Heere (gemeinsam mit den verbündeten österreichischen und russischen Armeen) bis nach Paris vor.
 

Ich bin nicht unbesiegbar dann,

wenn keiner wagt den Streit mit mir,

wenn keiner mit mir kämpfen kann.

Er wird es können – irgendwann.

 

 

Der folgende Frieden (nach dem Wiener Kongress 1815) ist eine erfreuliche Unterbrechung in der durch gewaltsame Unterwerfung, Hass und Rache geprägten Beziehung zwischen beiden Völkern. Das besiegte Frankreich wurde von den Siegern nicht erniedrigt und beraubt. Ihm wurde ein maßvoller Frieden zugestanden. Es musste keine Gebiete abtreten. Es wurde als ebenbürtiger Staat wieder in den Kreis der europäischen Großmächten aufgenommen. Die Sieger verhandelten über den Frieden in Französisch, der Sprache der Besiegten.

 

Der von gegenseitigem Verständnis und Hochachtung geprägte maßvolle Umgang miteinander verwandelte sich jedoch schnell wieder in den erbarmungslosen Kampf um die Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent. Napoleon der Dritte träumte davon, die Größe wiederherzustellen, die Frankreich zur Zeit seines Onkels gehabt hatte, als sich seine Macht fast über ganz Europa erstreckte. Und das nach Einigung Deutschlands unter seiner Führung strebende Preußen sah keine andere Möglichkeit, als Frankreich, das einer neuen deutschen Großmacht im Osten nie kampflos zugestimmt hätte, durch Krieg zur Einwilligung zu zwingen.
 

Was nach dem Sieg der deutschen Waffen folgte, war nicht mehr maßvoll respektvoll:

Ausgerechnet in Versailles, dem Schloss des „Sonnenkönigs“, wurde das neue deutsche Kaiserreich proklamiert. Frankreich musste eine hohe Kriegsentschädigung zahlen. Und es wurde gezwungen, ganz Elsass-Lothringen an die neue Führungsmacht abzutreten.

Die ohnmächtige Wut des unterworfenen Frankreich verwandelte sich in den nicht mehr verstummenden Ruf nach Vergeltung. Wieder erschien es dem hochmütigen Sieger als undenkbar, dass sich der Besiegte je wieder gegen seine Überlegenheit erheben könnte. Doch wieder gelang das Unwahrscheinliche, Unvorstellbare. Frankreich konnte, auch wegen der an Größenwahn grenzenden Selbstüberschätzung Deutschlands, eine Allianz anderer Großmächte zustande zubringen, die so übermächtig war, dass im Ersten Weltkrieg auch das mächtige Deutschland daran zerbrechen musste.

 

Was jetzt folgte, war der nur noch von maßloser Rache bestimmte Frieden von Versailles.

Vergeblich warnten einige wenige einsichtige und weitsichtige Staatsmänner vor den schrecklichen Folgen, die sich aus der unfairen Härte des Friedensvertrages ergeben könnten. Einer von ihnen, Lloyd George, eigentlich einer der unerbittlichsten Gegner Deutschlands, sagte damals. „Man kann Deutschland seine Kolonien nehmen, seine Streitkräfte auf eine reine Polizeitruppe beschränken und seine Flotte auf die einer Macht fünften Ranges; wenn es sich im Frieden von 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird es Mittel finden, von seinen Besiegern Vergeltung zu erlangen.“

(Otto Zierer, Bild der Jahrhunderte, Bd. 21, S. 87)

 

Er sollte leider Recht behalten. Der Frieden von Versailles brachte den Völkern Europas nicht den Frieden, sondern neuen Krieg. Ohne diesen Frieden, der kein Frieden war, wäre der Aufstieg Hitlers nicht möglich gewesen. Der Frieden, der den ersten Weltkrieg beendete, ebnete den Weg für den zweiten.


 

Heute leben wir in der glücklichen Zeit, in der Frankreich und Deutschland gleichberechtigte Partner "auf Augenhöhe" innerhalb der EU sind. Sie haben endlich begriffen - nach Richelieu, Ludwig dem XIV., zwei Napoleons, Bismarck und Hitler, nach einem Meer von Blut und Tränen, das auf beiden Seiten geflossen ist, dass keiner sich auf Kosten des Anderen stark machen kann, dass Angriffe und Übergriffe nicht nur den Anderen schwächen, sondern auch ihn selbst, dass beide nur dadurch stark bleiben können, dass sie - als gemeinsames Projekt - die Einheit Europas stärken, die beide umgreift und übergreift.

 

Ich bin dann unbesiegbar,

wenn der Andere glaubt,

dass er schneller auf seinem Weg das Ziel erreicht,

wenn er ihn geht mit mir an seiner Seite,

gemeinsam und vereint, als Partner und als Freund,

als wenn er ohne mich alleine geht,

oder gegen mich anstürmt als sein Feind.


Solidarität macht unbesiegbar, nicht Konkurrenz!

 

 

 

 

 


 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (654 mal gelesen)
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