Suche, will und frage
Oft missbrauche ich Worte, um den Geist anzuhalten, ihn nicht weiter gehen zu lassen. Ich gebe dem, was ich sehe, einen Namen, um nicht mehr weiter zu sehen, um das Sehen abzuschliessen. Wenn ich in meinem Therapieraum auf meiner Couch sitze, glaube ich meistens, vor mir meinen kleinen runden Tisch zu sehen, die gruene Tischdecke darauf, die beiden Korbsessel dahinter. Dann sehe ich aber nicht wirklich. Ich erkenne nur Dinge wieder, denen ich irgendwann einen Namen gegeben habe, Dinge, die ich schon kenne. Dieses Wiedererkennen des Benannten, schon Bekannten ist beliebig wiederholbar. Ich denke, dass ich einen dieser Sessel schon hundert oder tausend mal "gesehen" habe, immer denselben Sessel. Aber wie gesagt, ich sehe gar nicht wirklich.
Wenn ich wirklich sehe, sehe ich, dass ich das, was ich jetzt sehe, noch nie gesehen habe. Das, was ich sehe, sehe ich jetzt zum ersten Mal, sehe ich jetzt zum letzten Mal. Ich habe es vorher noch nie gesehen, ich werde es nie mehr sehen. Es ist einmalig. Das, was ein Korbsessel zu sein scheint, ist, wenn ich wirklich sehe, wenn ich die gegenwaertige Wirklichkeit sehe, etwas, was in nicht wiederholbarer Weise das Licht reflektiert und durch die Loecher im Geflecht den Hintergrund durchscheinen lässt, einmalig, da ich schon dann, wenn das Licht etwas heller scheint oder ich den Kopf nur wenige Zentimeter zur Seite bewege, etwas anderes sehe.
Publiziert am: Dienstag, 06. Februar 2018 (956 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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