Antwort ohne Fragen



 

"Oders" gibt es nicht.

"Abers" gibt es nicht.

Es gibt ein "Und".


 

Stell' deshalb keine Fragen!

Suche nicht, um zu finden!


 

Es gibt keine Antwort auf Fragen.

Solang' du suchst, kannst du nicht finden.


 

Antworte, ohne zu fragen!

Finde, ohne zu suchen!


 

Lebe eine Antwort:

"Ja!"


 


 

 

Kommentar:
 

(Jakob, der Sohn des Zebedäus, und Jesus, Marias Sohn aus Nazareth, sehen bestürzt auf die verheerenden Wirkungen der Überschwemmung, die die Ernte vernichtet hat.   Jakob:)

„Weshalb hat Gott das getan? Was hat das Volk ihm gegenüber verbrochen? Ich begreife es nicht.
Begreifst du es, Marias Sohn?“

„Frage nicht, Bruder, das ist Sünde! Bis vorgestern habe auch ich gefragt, jetzt habe ich verstanden. Sie ist die Schlange, die die ersten Menschen verführte, und Gott vertrieb uns aus dem Paradies.“

„Welche ,sie’?“

„Die Frage.“

(Nikos Kazantzakis, Die letzte Versuchung)





 

Das ist die eine Hälfte der Wahrheit:

 

Suchen führt nicht zum Finden.

Suchen verhindert das Finden.

 

Fragen führen zu keiner Antwort.

Fragen verstellen die Antwort, verschleiern die Antwort,

so dass ich das Offen-Sichtliche nicht mehr sehen kann.

 

Suchen bedeutet, dass ich das Vor-gefundene verliere, jetzt suchen muss und es nicht wieder-finden kann.

Suchen und Fragen bedeutet, dass ich mich selbst aus dem Paradies vertreibe.

 

Das Paradies, das ist das Buch, in dem es nur Ausrufezeichen gibt, keine Fragezeichen.

Das Paradies, das ist das Land, in dem es nur einen einfachen Weg gibt,

nicht Wege, die sich teilen, trennen, scheiden;

wo es keine Frage gibt: "Bin ich bisher den richtigen Weg gegangen?"

und auch nicht die Frage: "Soll ich jetzt den linken oder rechten Weg wählen?";

wo es nur den einen Weg gibt, der mit Sicherheit zum vorgegebenen Ziel führt;

wo es keine Antwort auf die Frage gibt, weil es die Frage gar nicht erst gibt;

wo ich mich nicht ent-scheiden muss, mich nicht einmal entscheiden kann,

weil es keinen Weg gibt, der sich scheidet;

wo ich den Weg nicht suchen muss, weil es nur den einen Weg gibt, den ich gehe.

wo ich ihn auch gar nicht verlieren kann, nicht von ihm abweichen kann.

„Der Weg, von dem man abweichen kann, ist nicht der Wahre Weg.“ (Ken Wilber)

 

 


 

 

Ich kann jedoch vergessen, dass ich den Weg gefunden habe.

Dann suche ich den Weg, auf dem ich gehe.

 

Und selbst dann, wenn ich den Weg suche, auf dem ich laufe,

bin ich immer noch auf dem einen einzigen Weg.

Ich bleibe auf dem Weg, selbst dann, wenn ich es nicht mehr weiß.





 

Suche nicht das, was du nicht finden kannst!

Suche nicht fern von dir im Wald

die Kuh – scheinbar entlaufen –,

die immer noch im Stall steht - 

bei dir zu Haus‘ wie immer!

 

 

 

 

 

 

Das Paradies, in dem es nur den einen Weg gibt, der sich nicht scheidet, der mit Sicherheit zum vorgegebenen Ziel führt, das ist z. B. das Labyrinth, das du auf der Titelseite siehst.
 

„Aber warum das denn, Rudolfo?“, wirst du, liebe Leserin, an dieser Stelle vielleicht fragen. „In einem Labyrinth gibt es doch jede Menge Möglichkeiten, falsche Wege zu gehen, sich zu verlaufen. Deshalb ist der Gang durch ein Labyrinth doch kein selbstverständliches Finden, sondern ein oft zähes, ermüdendes Suchen, Ausprobieren durch Versuch und Irrtum, ein ständiger Wechsel von Hoffnung und Enttäuschung.“
 

„Ja, liebe Leserin, du verwechselst ein Labyrinth mit einem Irrgarten. In einem Irrgarten gibt es tatsächlich immer wieder Verzweigungen, die Wahl zwischen mehreren möglichen Wegen, und du kannst an diesen Stellen, wo sich der eine Weg scheidet, nicht mit Sicherheit unter-scheiden, welcher Weg weiterführt und welcher als Sackgasse endet. Du hast keine ein-fache, ein-deutige Gewissheit, statt dessen Zwei-fel und Unsicherheit, bist in einer „Krise“. (Das Wort bedeutet  im Griechischen Trennung, Scheidung, Unter-Scheidung.) Du musst dich blind ent-scheiden, erst durch Erproben im Handeln wird irgendwann der Zweifel wieder zu Gewissheit aufgelöst.
 

Ein wirkliches Labyrinth aber ist ein Weg, der zwar verwirrend ist, in vielen unüberschaubaren Schlingen ver-läuft, der aber keine Abzweigungen hat. Du kannst dich nicht verirren. Es gibt nur einen einzigen Weg, der mit Sicherheit zum Ziel führt. Wenn du einmal die wenigen einfachen Regeln verstanden hast, nach denen du gehen musst, und dich dann an diese Regeln hältst, kannst du nicht mehr in die Irre gehen. Du musst nur ein Gebot befolgen: vorwärts gehen, immer weiter. Und du musst ein paar Verbote beachten: du darfst nicht rückwärts gehen, endgültig stehen bleiben und die Trennlinie überschreiten, die eine Schleife des Labyrinths von den benachbarten trennt. Wenn du so vor-gehst, dann musst du die nächste Stelle, auf die du den Fuß setzt, nicht suchen. Du findest sie einfach, sie ergibt sich zwangsläufig, von selbst, ohne Wahl. Und du kommst mit Sicherheit ans Ziel, in die Mitte des Labyrinths. “

Probiere es doch selbst aus, lieber Leser, indem du auf dem Titelblatt dem Weg durch das Labyrinth mit den Augen oder dem Finger folgst!


 

Es ist übrigens interessant, dass der erste Irrgarten in Europa erst zu Beginn der Neuzeit auftaucht.

Im Mittelalter gab es nur Labyrinthe,  z. B. die berühmten Kirchenlabyrinthe in einigen gotischen Kathedralen Frankreichs (Chartres, Amiens).

 



 

Und das ist die andere Hälfte der Wahrheit: 

„Suchet, und ihr werdet finden!

Klopfet an, und das Tor wird euch geöffnet!“ (Matthäus 7,7 )


 

Als der Großmeister des Aikido, Koichi Tohei, einen hochrangigen Schüler für längere Zeit nach Europa schickte, um die dortigen Dojos zu betreuen, gab er ihm folgenden Leitspruch mit auf den Weg:

Es gibt eine Frage, die du nicht vergessen, nie vergessen solltest!

Was ist der Sinn und Zweck meines Lebens?“


 

Und (zum mit dem Suchen eng verwandten Streben):

„Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ (Goethes Faust)

Und die letzten Worte Buddhas sind: „Strebet ohne Unterlass!“


 

„Von allem, was mit Worten gesagt werden kann, ist auch das Gegenteil wahr.“ (H. Hesse)

Erst beide Hälften zusammen bilden die ganze Wahrheit, in der die scheinbaren Widersprüche aufgehoben sind, die Gegensätze zusammenfallen.

 

 

Publiziert am: Sonntag, 03. Dezember 2017 (1857 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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