Mit-Gabe
1907 wird als Golda Maika Aufen
im heutigen Südosten Polens ein Kind geboren.
Die Eltern, der russisch-jüdische Vater und die österreichisch-jüdische Mutter,
können zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen:
Diese Tochter wird später einmal Masha Kaléko heißen.
Unter diesem Namen wird sie in einem Atemzug
mit Kurt Tucholski, Erich Kästner und Joachim Ringelnatz genannt werden.
Sie wird sich mit der Avantgarde Berlins im Romanischen Café treffen.
Martin Heidegger, der bekennende Nationalsozialist,
wird an sie, die Jüdin schreiben:
"Ihr ,Stenogrammheft´ sagt, dass Sie alles wissen,
was Sterblichen zu wissen gegeben."
Sie wird entwurzelt werden, gezwungen,
die Stadt, in der sie "ein paar leuchtende Jahre" hatte,
für immer zu verlassen, im Jahr 1938
durch Flucht vor dem sicheren Tod nach New York.
Von da aus wird sie - ihrem Mann zu Liebe - nach Jerusalem gehen.
In beiden Städten wird sie eine Fremde bleiben,
Sie wird 1936 einen Sohn gebären.
Auch sie wird dann nicht wissen,
was es in seinem Leben geben wird,
was er darin erleben wird,
wie er sein Leben führen wird,
wohin sein Weg ihn führen wird.
Sie wird nicht wissen,
dass sein Weg, sein Leben
bereits vor ihrem enden wird.
(Der Tod, der gleicht - wie schon gesagt -
einem Zigeunerkind,
das sich an kein Gesetz hält.)
Doch sie wird wissen,
was sie ihm geben will
mit-geben für sein Leben,
seinen Weg
"Dir will ich meines Liebsten Augen geben
und seiner Seele flammend reines Glüh'n.
Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn
verschlossne Tore aus den Angeln heben.
Wirst auszieh'n, das gelobte Glück zu schmieden.
Dein Weg sei frei. Denn aller Weisheit Schluss
bleibt doch zuletzt, dass jedermann hienieden
all seine Fehler selbst begehen muss.
Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren,
hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz.
Nur eines nimm von dem, was ich erfahren!
Wer du auch seist, nur eines, sei es ganz!
( aus Mascha Kaléko, "An mein Kind")
Nun, das ist ihre Mit-Gift
bei der Geburt an den,
den sie geboren hat.
Wie der mit diesen Gaben dann
das Spiel des Lebens spielen wird,
das kann sie noch nicht wissen,
hat darauf auch kaum Einfluss.
Denn was der Neu-Geborene
aus dem Gegebenen macht,
das liegt zum größten Teil
nicht mehr in ihrer,
das liegt in seiner Macht.
Nicht nur Eltern können ihren Kindern etwas für ihr Leben mit-geben -
auch Großeltern ihren Enkeln/Enkelinnen:
Publiziert am: Dienstag, 19. November 2024 (32 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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