Der wunschlose Hunger
Wie es ist, schon vor dem Sterben zu sterben, keine Zukunft mehr zu haben, jede Zukunft, alle Wünsche sterben zu lassen,
wunschlos all-ein im Wie des Jetzt zu leben -
frei vom Verstand, in Unschuld und mit voller Lebenskraft -
hat Osho wunderschön geschildert als Weg der weißen Wolke:
"Also ist ein Sannyasin ein wunschloser Mensch, nicht einer, der seine Wünsche abgetötet hat.
Er ist einer, dessen gesamte Energie auf den gegenwärtigen Moment gerichtet ist. Sie richtet sich nicht mehr auf die Zukunft, sie hat sich diesem jetzigen Moment zugewandt.
Seine Wünsche konzentrieren sich auf das Hier und Jetzt.
Er ist zu einer ganzen Welt geworden, nichts geht in die Zukunft, alles fließt zurück zu ihm.
Die Zukunft existiert nicht tatsächlich, es gibt sie nur in euren Vorstellungen.
Wenn Wünsche in die Zukunft gehen, ist es, als ob ein Fluss in die Wüste fließt, versandet und nie den Ozean erreicht.
Er wird die Berauschung nie erleben, die über einen Fluss kommt, wenn er sich in den Ozean ergießt.
Wenn ein Fluss das Meer erreicht, empfindet er einen Orgasmus durch und durch, einen Tanz, einen Rausch, einen Segen.
Das erlebt er nicht, wenn er in die Wüste fließt; er verdampft, verdurstet und versandet und erlebt keine Vereinigung mit der Schöpfung.
Wenn die Wünsche in die Zukunft gehen, ist der Fluss der Wünsche in die Wüste gegangen.
Die Zukunft ist nirgends vorhanden, es gibt immer nur die Gegenwart.
Die Zukunft ist eine Erfindung des Verstandes, ist falsch, ist ein Traum.
(Osho, Mein Weg: der Weg der weißen Wolke, 15. Kapitel)
Vielleicht gibt dieser kurze Auszug, liebe Leserin,
dir nicht nur einen flücht'gen Einblick.
Vielleicht weckt dieser kleine Happen
bei dir den Appetit auf mehr.
Du fragst vielleicht:
"Ist Appetit auf mehr nicht auch ein Wunsch, noch einer mehr?"
Nicht unbedingt.
Sogar der Hunger, der kann wunschlos sein.
Wenn du den Hunger hast, ist er nicht wunschlos.
Doch wenn du ganz der Hunger bist,
dann bist du wunschlos;
dann ist der Hunger wunschlos.
"Ein Mensch hat Hunger und fängt an, über Essen nachzudenken.
Er denkt, aber er kostet den Hunger nie in seiner Totalität aus...
Das hat seine eigene Schönheit und seinen Reiz.
Ein Mensch, der keinen Hunger mehr fühlen kann, ist so gut wie tot.
Hunger ist in der Gegenwart, hier, aber er denkt an das Essen in der Zukunft;
und wenn das Essen da ist, denkt er an andere Speisen, die er morgen essen will.
Ein Sannyasin lebt in der Gegenwart und genießt den Hunger, wenn er hungrig ist. Er wird so hungrig, dass er zum Hunger selbst wird.
Jede Zelle seines Körpers wartet auf das Essen, so wie die Erde auf den Regen, wenn es wochenlang nicht geregnet hat.
Jede Pore ist eine Einladung, ein Warten, ein Gebet. Der ganze Körper einladend, wartend, den Hunger genießend.
Und dann ist das Essen da, und er genießt es; und eine große Befriedigung erfüllt sein ganzes Wesen und breitet sich über Körper, Geist und Seele aus.
Und er genießt diese Zufriedenheit."
(Osho, Mein Weg: der Weg der weißen Wolke, Kap.15)
Der Hunger, der ist wunschlos,
dann, wenn er ich-los ist.
Und ich-los kann auch Trauer, Angst und Ärger sein -
wenn wir sie lassen, wie sie sind,
ohne uns einzumischen.
Publiziert am: Donnerstag, 11. Mai 2023 (184 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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