Der Berg



Der Berg ist Erde - aufgetürmt,

die, all ihre Kraft aufbietend,

gegen des Himmels Feste stürmt.


Wo mit sich ringen Urgewalten,

ist kläglich jedes Menschenwerk.

Wo wir mit Menschengeist gestalten,

wirkt trotzig-kühn doch nur ein Zwerg.

 

 

Auf Gipfeln bin erhoben ich in Gottes Nähe,

stehe all-ein nicht ganz so fern dem Einen.

Sein Wind stürmt hier manchmal mit starker Böe.

Berührt von Seiner Macht könnte ich weinen.

 

 

Doch wer dort klettert, wo zum Leichten ragt

das schwere Erdgestein, - am Matterhorn und Eiger,

der hat, die drohende Gefahr missachtend,

auch nach dem schnellsten Weg zum Tod gefragt.

 








PS.:

Auf deinem Gipfel lang das Licht sich hält.

In luft'ger Höh' die Sonne stärker scheint.

Doch in des Tales Tiefe früh dein Schatten fällt.

So Hell und Dunkel sind durch dich vereint.

 

Einige Bilder:

 



 

Natürlich passt hier auch zum Teil

das, was ich schrieb, als eine Schneelawine

auf eine kleine Menschengruppe traf -  

darunter auch mein älterer Sohn -

und sie mit zwingender Gewalt ins Jenseits warf:

 





Du hast gelebt für Berge und für Schnee.

Durch Schnee der Berge bist du auch gestorben.


 

Du brachst an diesem Freitag Morgen, dem 26. April 2019, von der Finsteraarhornhütte auf.

An der Konkordiahütte kamst du nicht mehr an.
 

Vielleicht hattest du vorher – vorsichtig, wie du ja fast immer warst, den Hüttenwart nach der Wetterlage gefragt.

„Lawinenwarnstufe drei: Das ist nichts Besonderes.

An den Bergen etwas Nebel, etwas Wind. Nichts, was Lawinen begünstigt.

Man kann es noch wagen, los zu gehen.“

Also gingst du los – mit den drei Anderen, die du führtest.

Vorsichtig: 50 Meter Abstand zwischen jedem von euch; damit schlimmstenfalls nur einer von einer Lawine erfasst wird, die anderen noch helfen oder Hilfe holen können.

Doch dann kam sie – noch schlimmer – mit übermächtiger Wucht und einer Schnelligkeit, die Entkommen unmöglich machte:

Eine Lawine, die euch alle vier überrollte und unter sich vier Meter tief begrub.

 

Ich habe mich gefragt, was du wohl in den letzten Minuten deines Erdenlebens erlebt hast, lasse dann etwas meine Phantasie spielen. Deine kleine Gruppe ist ja den Hang bis zur Grünhornlücke hochgestapft, die Kerbe in der Kette, die den Fieschergletscher vom großen Aletschgletscher trennt. Schon mit angeschnallten Skiern? Oben angekommen, erst mal verschnaufen. Der anstrengende Teil lag jetzt ja hinter euch. Jetzt ging es nur noch abwärts. Ihr konntet schon, greifbar nah, die Konkordiahütte liegen sehen. Vielleicht noch eine halbe Stunde. Am Sattel bot sich euch der Blick auf das beeindruckende Aletschhorn. Vielleicht seid ihr ja ein oder zwei Minuten dort stehen geblieben, um die großartige Aussicht auf euch wirken zu lassen. Dann haben diese Minuten euch das Leben gekostet.

Kaum hattet ihr euch mit den Skiern in den schmalen Bachgrund geschwungen, da kam schon die Lawine, von hinten rechts, und riss euch mit. Dass ihr sie hören konntet, nutzte euch nichts mehr. In der schmalen Rinne hattet ihr keine Chance.

Eine Minute früher los zu fahren, hätte euch gerettet. Ihr wärt schon hinter einem Felsengrat verschwunden gewesen, einer schützenden Wand, von den abwärts stürzenden Schneemassen nicht mehr erreichbar.

Eine Minute länger auf dem Kamm zu warten, hätte euch auch gerettet. Ihr hättet sie gesehen, nicht nur gehört. Und hättet sie vor euch ins Tal donnern lassen.

Das, was geschehen wäre, ist nicht, was geschah. Es konnte jedoch nur gescheh'n genau in diesen wenigen Sekunden.

Natürlich hab' ich mich auch gefragt, wie stark, wie lange du gelitten hast. Hat dir die Härte des Aufeinanderprallens sofort die Lungen eingedrückt? Manche Lawinen sind ja schneller als ein Rennwagen. Oder bist du erstickt? Wenn ja, wie lang hat das gedauert? Ich hab' gelesen: Das geht schnell, zwei bis fünf Minuten. Doch wie schmerzvoll waren die dann?

 

Doch warum frage ich das alles mich? Ich weiß es doch nicht.

Ich frage lieber dich. Du weißt es ja.

Schicke mir bitte eine Antwort - durch irgendwas!

Ich werde gut auf deine Zeichen achten.

 

...

 

Eine großartigere Kulisse für ein Sterben hättest du dir nicht aussuchen können.

Es war eine Szenerie, die auch der genialste Regisseur nicht besser hätte aussuchen können.

Du bist gestorben in einer erhabenen Gletscherwelt,

in „ewigem“ Eis und Schnee bist du in die Ewigkeit gegangen.

(aus "An Marko")

 

 

Publiziert am: Dienstag, 15. September 2020 (914 mal gelesen)
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