An Karoline



Zu leben ist der Güter höchstes nicht.

Der Güter höchstes ist es, gut zu leben.

Nicht mehr zu leben, ist der Übel größtes nicht.

Der Übel größtes ist es, schlecht zu leben.

(frei nach Schiller)




 

»Glückliche, denen vergönnt ist,

zu sterben in der Blüte der Freude,

die aufstehen dürfen vom Mahle des Lebens,

ehe die Kerzen blind werden

und der Wein sparsamer perlt."

(Karoline von Günderrode)





 

Das ist nicht Negation des Lebens aus Müdigkeit und Dekadenz,

es ist die Negation eines Lebens, das diesen Namen nicht verdient.

(Richard Wilhelm, Die Günderrode)

 







Kommentar:


Hochrot

Du innig Rot,

bis an den Tod,

soll meine Lieb' dir gleichen,

soll nimmer bleichen.

 

Bis an den Tod,

du innig Rot,

soll sie dir gleichen.

(Karoline von Günderrode)



Du gabst dir, Karoline, selbst den Tod,

als deine Liebe (scheinbar!) nicht mehr hochrot glühen konnte,

als deine Liebe - wie du dachtest - bleichen musste.

 

Du hast geglaubt, was du geschrieben hast.

Du hast gelebt, was du geglaubt hast.







Andere Naturen -

 

ohne deine durch Kargkeit klare, kühne "Männer"-Seele, himmels-stürmend, auf die Erde gezwängt in einen unpassenden, dir fremden Frauenkörper ;

ohne deine Schwermut, die dir ernsthaften Mut gab, dir jedoch auch dein Leben schwierig machte;

ohne deine stand-hafte Charakter-Festigkeit, die keine halbherzigen Kompromisse duldete, dich dazu zwang, einen Weg konsequent zu Ende zu gehen;

ohne deine engende Tiefe, die Handeln im Einklang mit deinen Idealen forderte, dir keinen Spielraum, kein Abweichen erlaubte;

ohne deine Gewissenhaftigkeit, die dich wissen ließ, was du dir schuldig warst, du anderen schuldig bliebst, die dich so lange vorwärts trieb, bis du nichts mehr schuldig warst und bliebst;

ohne deine sowieso stark ausgeprägte Sehnsucht nach dem Tod als Tor zu einem weiteren, höheren, besseren Leben, zum erhabenen Wieder-Eins-Sein mit dem Weltgeist -
 

hätten vielleicht einen anderen Weg gesehen und gewählt.



 

Deine Freundin Bettina Brentano,
 

die spielfreudig Kindliche, munter Leichtherzige,

manchmal Leichtsinnige, manchmal Leichtfertige,

flatterhaft Sprunghafte, Schmetterlingshafte,

durchs Leben Huschende, beschwingt Hüpfende,

leichtfüßig durch den Ballsaal Tänzelnde,

die lebhaft Lebendige, vor Lebenslust Fiebernde,

Funken Sprühende, glitzernd Funkelnde,

schillernd in vielen Farben Glänzende,

die Vielbe-gabte, Vielbe-liebte,

vielfältig Liebende, viel-seitig Gebende,

an Oberflächen über-reich weit in die Breite Fließende,

die unbedacht, unschuldig, unbekümmert

zum Ausdruck brachte und auslebte,

was sie grad zufällig erlebte,
 

hätte sich wahrscheinlich nie selbst das Leben genommen.






" O Jüngling, lern aus der Geschichte,

die dich vielleicht zu Tränen zwingt,

was für bejammernswerte Früchte

die Liebe zu den Schönen bringt!

Ein Beispiel wohlerzogener Jugend,

des alten Vaters Trost und Stab,

ein Jüngling, der durch frühe Tugend

zur größten Hoffnung Anlass gab;

 

den zwang die Macht der schönen Triebe,

Climenen zärtlich nachzugehn.

Er seufzte, bat um Gegenliebe;

allein vergebens war sein Flehn.

Fußfällig klagt er ihr sein Leiden.

Umsonst! Climene heißt ihn fliehn.

,Ja´schreit er, ,ja, ich will dich meiden;

ich will mich ewig dir entziehn.´

Er reißt den Degen aus der Scheide,

und - oh, was kann verwegner sein!

Kurz, er besieht die Spitz und Schneide,

und steckt ihn langsam wieder ein."

(Christian Fürchtegott Gellert, Der Selbstmord)





 

 

Wer A sagt,

muss nicht auch B sagen.


Er kann auch sehen, kann auch sagen,

dass A falsch war, B falsch wäre.

 

(frei nach Brecht)

 

 

 

 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (918 mal gelesen)
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