Drei-Schritt des Urteilens



 

Wer nicht klar unter-scheiden kann,

etwas nicht sicher trennen kann,

 

muss erst einmal lernen,

etwas klar zu trennen,

sicher zu unter-scheiden.

Erst wenn er bereit ist,

er in der Lage ist,

er auch gewohnt ist,

klar zu unter-scheiden,

 

kann er anfangen,

nicht mehr zu trennen,

nicht mehr zu unter-scheiden.

 

Wenn er dann in der Lage ist,

wenn er gewohnt ist,

nicht mehr zu unter-scheiden,

 

kann er anfangen,

wieder auch zu unterscheiden.

 


 

Wer ungerecht urteilt,

verführt durch Mögen und Nicht-Mögen,

 

muss erst einmal lernen,

gerecht zu urteilen.

Erst wenn er bereit ist,

er in der Lage ist,

er auch gewohnt ist,

gerecht zu urteilen,

kann er anfangen,

(gar) nicht mehr zu urteilen,

zu lieben, was ist.

 

Wenn er dann in der Lage ist,

wenn er gewohnt ist,

nicht mehr zu urteilen,

 

kann er anfangen,

wieder auch zu urteilen.

 


 

Wer un-entschlossen ist,

sich nicht ent-scheiden kann,

 

muss erst einmal lernen,

sicher zu ent-scheiden.

Erst wenn er bereit ist,

er in der Lage ist,

er auch gewohnt ist,

(sich) klar zu ent-scheiden,

 

kann er anfangen,

nicht mehr zu wählen,

nicht mehr zu ent-scheiden.

 

Wenn er dann in der Lage ist,

wenn er gewohnt ist,

nicht mehr zu wählen,

 

kann er anfangen,

wieder auch zu wählen,

sich auch wieder zu entscheiden.




 

 

Kommentar:

Das Gedicht beschreibt drei Schritte, durch die man von einer Stufe zu der nächsthöheren aufsteigt.

 

Der erste Schritt führt vom Boden auf die erste Stufe -

Im Land der Zwei vom falschen an den richtigen Ort -

vom falschen zum richtigen Urteilen, Unter-Scheiden, Ent-Scheiden.


 

Der 2. Schritt führt von der ersten Stufe auf die zweite -

aus dem Land der Zwei in das Land der Eins -

vom richtigen Urteilen, Unterscheiden, Entscheiden

zum Nicht-Urteilen, Nicht-Unterscheiden, Nicht-Entscheiden.


 

Der 3. Schritt führt von der zweiten auf die dritte Stufe -

aus dem Land der Eins in das Land der Drei -

auf der Nicht-Urteilen und Urteilen zusammen existieren.





 

Dass es wichtig ist, klar zu unterscheiden, wird deutlich in dem inzwischen recht bekannten „Gelassenheitsgebet“ von Reinhold Niebuhr:

 


 

Gott gib mir

 

die Gelassenheit,

die Dinge anzunehmen,

die ich nicht ändern kann,

 

den Mut,

die Dinge zu ändern,

die ich ändern kann,

 

und die Weisheit,

den Unterschied zu sehen.




 

Ein schönes Beispiel für das Nicht-Unterscheiden gibt uns der Zen-Meister Thich Nhat Hanh in seinem Kommentar zum Diamant-Sutra:

„Der Buddha lehrte seine Mönche und Nonnen, während der Almosenrunde nicht zwischen armen und reichen Häusern zu unterscheiden, sondern einfach von einer Behausung zur nächsten zu gehen. Das Erbetteln von Almosen ist ein Weg, den Geist der Nicht-Unterscheidung zu pflegen. Es bietet die Möglichkeit, mit Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Klassen in Berührung zu sein und sie in den Übungen und Lehren des Buddha zu unterweisen. Selbst wenn ein Mönch weiß, dass die Menschen in einem bestimmten Haus unfreundlich sind und ihm kein Essen geben werden, so muss er doch auch zu diesem Haus gehen und für einige Minuten dort stehenbleiben; erst dann darf er zum nächsten Haus weitergehen.“

 

 

Publiziert am: Samstag, 30. Januar 2016 (1564 mal gelesen)
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