Noch eine (unlösbare?) Frage
"Durch den donnernden Flutgang der Jahrtausende tönt eine Stimme, tröstend und warnend:
des Menschen Reich ist nicht von dieser Welt.
Aber daneben erklingt eine brausende Gegenstimme:
diese Erde voll Glanz und Finsternis gehört dir, dem Menschen;
sie ist dein Werk und du das ihre; ihr kannst du nicht entfliehen.
und du dürftest es auch gar nicht, selbst wenn du es könntest!
Wie sie geschaffen ist, furchtbar und wunderbar:
du musst ihr die Treue halten."
(Egon Friedell, Kulturgeschichte des Altertums)
Diese Dissonanz zieht sich unaufgelöst durch die Geschichte Europas,
ist jedoch von den verschiedenen Zeitaltern mit unterschiedlichem Akzent gelebt worden.
Im Mittelalter flüchteten unzählige Menschen vor der Welt als Mönche hinter schützende Klostermauern,
wollten dort in Abgeschiedenheit, in Weltabkehr, zurückfinden und zurückkehren in die Heimat, das jenseitige Himmelreich.
In der Neuzeit fühlen sich die meisten Menschen zu Hause im Diesseits,
das sie mit den Sinnen genießen, mit dem Verstand gestalten wollen.
Letztlich ist jedoch die Dissonanz nie grundsätzlich aufgelöst,
die mit ihr gegebene Frage nie abschließend, endgültig, für alle Menschen überzeugend und gültig beantwortet worden.
Vielleicht gehört sie zu den Fragen, die gar nicht zu beantworten sind, die offen bleiben müssen,
die jeder Mensch als seine persönliche Wahl für sich selbst, nur für sich selbst, beantworten kann und muss.
Einige der folgenden Texte versuchen,
auf diese Frage einige mögliche, sich durchaus widersprechende Antworten zu geben.
Publiziert am: Mittwoch, 10. Dezember 2025 (6 mal gelesen)
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