Einsilbig

 


 

Ich geh zu auf ein Haus.

Es liegt ganz nah am Wald.

Kein Schild weist mir den Weg.

Das Haus, es ist schon alt.


 

Sein Dach ist rot, die Tür ist blau,

der Putz der Wand - 

nicht mehr ganz neu -

glänzt matt und ist hell-grau.


 

Vorm Haus wächst wild das Gras,

schon reif, es färbt sich braun.

Es reicht bis an den Wald.

Der grenzt es ein als Zaun.


 

Und aus dem Gras, da ragt ein Baum

Sein Obst, das lacht im Licht.

Es lockt uns an, es lädt uns ein.

Das Laub des Baums ist dicht,

 

 

färbt sich schon bunt, und nur

Der Mohn blüht noch blut-rot.

Doch auch, was glüht, wird welk.

Auch ihm droht bald der Tod.

 

 

Wohnt hier der Lars, Leifs Sohn?

Den kenn' ich aus der Bahn.

Er fuhr zum Arzt nach Lund.

Es tat ihm weh der Zahn.


 

Tritt er gleich vor die Tür

Tritt er gleich raus ins Licht?

Mein Herz, es würd' sich freu'n

Ich hoff es, weiß es nicht.


 

Im Hof, da steht ein Pferd,

kein Ross für Schlacht und Krieg.

Doch Lars, der ist ja auch kein Mann

für Kampf um Macht und Sieg.


 

Er ist ja frei von Lug und Trug,

auch frei von Gier nach Geld.

Es reicht ihm das, was er schon hat. 

Sein Haus, sein Hof, die sind ihm Welt.

 


 

Als ich im Zug nach Lund ihn frug

nach Hab und Gut, nach Frau und Hund,

sprach er ganz stolz und froh:

Die Welt ist für mich voll und rund. 


 

Ein Mann, stark wie ein Stier,

half Lars mir in den Zug

und bot mir an ein Bier.

Das trank ich gern und gab


 

ihm Wurst und Wein von mir.

Der Wein, der kam vom Rhein.

Ich frug ihn, wo er wohnt.

Er lud mich zu sich ein

 

 

"Ich leb' ganz nah am Wald.

Und wenn ich Glück hab', seh,

wenn nachts der Mond hell scheint

am Wald ich Hirsch und Reh.


 

Der Zahn zieht mich nach Lund,

die Stadt, so schräg und schrill,

die rauscht und rast so laut,

was ich nicht mag und will.


 

Nur Schmerz treibt mich da hin,

wo ich nichts hab',

wo ich nichts bin,

wo nichts macht für mich Sinn.



Von Lund, das mir so fremd,

fahr'  ich schnell heim zur Frau."

Die sei nicht nur sehr schön,

sie sei auch klug und schlau.


 

"Wenn ich ihr nah bin, fühl'

wie sie die Hand mir hält,

füllt sich mein Herz mit Glück,

fehlt mir nichts auf der Welt.


 

Wenn ich seh ihren Blick,

wenn ich hör', wie sie singt,

ist sie für mich ein Geist,

der steigt, leicht schwebt und schwingt."


 

Ein Hund döst vor der Tür - 

sein Fell schnee-weiß, ein Spitz.

Ich kenn ihn schon vom Zug.

Er heißt - wie ich glaub' - Fritz.


 

Ums Haus schleicht leis ne Katz.

Doch was, was will sie dort?

Sie jagt dort nach nem Spatz.

Der Hund, der treibt sie fort.


 

Ich klopf nun an die Tür.

im Flur geht an das Licht.

Es ist jetzt gleich halb vier.

Vom Gehn schmerzt mir ein Fuß.


 

Die Tür geht auf, in ihr steht Lars

und ruft dem Gast als Gruß

"Schön, dass du da bist", zu.

Schon schmerzt nicht mehr mein Fuß.


 

Er winkt der Frau, die er so preist,

zu Recht, wie ich jetzt seh.

Sie reicht mir sanft und zart die Hand

und lacht, hold wie ne Fee.


 

Lars führt mich in das Haus,

zu dem ich ging, vor dem ich stand.

Nun sitz ich drin beim Tee.

Ein Glück, dass ich es fand.




 

Kommentar:

 

Aus dem Bemühen, einen Text nur aus einsilbigen Wörtern zu schreiben, ist ganz von selbst, von mir gar nicht beabsichtigt  -

Worte verselbständigen sich ja, entwickeln eine eigene Bewegung, eine eigene Richtung -

ja die Schilderung eines erdverbundenen, naturnahen Idylls geworden:

von Menschen, schlicht und einfach, die in Einklang und Eintracht leben, mit sich, den Mitmenschen und der Welt.

 

Doch etwas fehlt in diesem Bild, um es vollständig zu machen: Kinder, eine Schar munterer Kinder,

die vor dem Haus liebevoll ein Schaf streicheln und ausgelassen mit Fritz, dem Spitz herumtollen,

besser noch mit einem familienfreundlichen Golden Retreaver oder einem spielfreudigen Border Collie.

 

Ich habe ein solches Abrunden zu einem vollen Ganzen versucht, doch es ist mir nicht gelungen.

Ich fand nicht genug einsilbige Wörter dafür. Viele Wörter sind in der Mehrzahl mehrsilbig.

"Sohn" wäre gegangen, "Söhne" nicht mehr. "Kind" wäre gegangen, "Kinder" nicht mehr,

und "Tochter" ist schon in der Einzahl mehrsilbig.

Und "Kind" und "Sohn", das hätte ja auch nicht gereicht, gar nicht gepasst.

Ein Paar, bodenständig, "geerdet" wie Lars und seine Frau (jetzt kann ich ja endlich seine Frau schreiben),

so verwurzelt auf dem Land, auf ihrem Land,

das ist nicht Vater und Mutter eines Einzelkinds.

Sie folgen noch dem uranfänglichen Gebot der Bibel:

Seid fruchtbar und mehret euch!

Durch eine einzige Tochter, einen einzigen Sohn, vermehren sich wir Menschen nicht.

Lars und seine Frau, die haben eine Schar von Kindern, Söhne und Töchter,

Kinder, die auf diesem Land aufwachsen wie der Baum und das Gras.
 

Eines der Kinder wird,

es eines Tages erben

als eigenen Grund und Boden,

wird - so wie alle Ahnen

dort leben und auch sterben

 

Es tut mit leid, liebe Leserin.

das Idyll muss unganz, unvollkommen bleiben.

Doch vielleicht gelingt ja dir, was mir nicht möglich war:

die Geschichte mit Kinderreichtum zu bereichern.

 

PS.

Natürlich möchte ich nicht, liebe Leserin, mit obigen Zeilen nostalgisch eine Lebensform verklären,

die vielleicht zu Recht von der Menschheit insgesamt in ihrem Fortschreiten hinter sich zurückgelassen worden ist.

Lars und seine Frau sind ja nicht mehr zeitgemäße Überbleibsel aus einer jedenfalls in Europa fernen Vergangenheit.

 

Doch wir können ja einfach mal träumen,

dass wir noch in einem solchen Idyll leben könnten -

in einer engen, nicht globalisierten Welt,

die uns noch sicheren Halt gibt,

in der wir noch verortet sind,

mit einem Ort verbunden,

an einen Platz gebunden - 

als Schutz vor dem Beliebigen,

das seinen Platz hat überall;

 

frei von der Gier nach immer mehr

die gar nicht sinnvoll ist

nach Massenwaren, Gütern,

die uns doch gar nicht gut tun,

und von dem Zwang, zu streben

nach immer größerer Macht,

die uns doch gar nicht glücklich macht,

nach einem Reichtum, maßlos 

der über alle Grenzen wuchert

misachtet, dass etwas jetzt genug ist,

dass etwas doch jetzt reicht.

 

Wir können doch, in freier Phantasie

uns doch ein Idealbild malen - von einer Welt,

die noch gesünder, die noch heiler ist,

die wir nicht immer kränker machen -

und mit ihr auch uns selbst -

die wir nicht selbst zerstören -

und mit ihr doch auch uns. 

Lass' uns doch einfach malen

mal einen schönen Traum,

mal einen heiteren Schein!

Die Wirklichkeit, die ist doch

unmalerisch genug.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Publiziert am: Montag, 15. September 2025 (95 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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