Herbsttag
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los!
Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein,
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein!
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
(Rainer Maria Rilke)
Im Leben eines Menschen gibt es ja
auch einen Abend, einen Herbst:
die Zeit, um abzuernten, nicht um auszusäen -
die Zeit, um auszubauen, nicht mehr neu zu bauen -
die Zeit, um abzurunden, nicht um Grund zu legen -
die Zeit, zurück zu blicken auf des Sommers Wärme -
die Zeit, voraus zu schauen auf des Winters Kälte.
Wir wenden nun zunächst den Blick zurück
Was ist erblüht, was ist ergrünt,
verspricht uns reiche Ernte?
Publiziert am: Mittwoch, 21. Juli 2021 (806 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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