Selbst-Macht ist selber machen
Er-warte nicht, dass ein Anderer merkt,
was du dir wünschst,
was du brauchst!
Warte nicht, bis er es merkt!
Merke selbst, dass er es nicht merkt,
und sag ’s ihm,
frag' ihn!
Sorge selbst für das,
was du dir wünschst,
was du brauchst!
Sorge selbst für dich selbst!
„Wie man sich bettet,
so liegt man.
Und es kommt keiner und deckt einen zu.“
(Bertold Brecht)
Manchmal höre ich:
„Hier ist ja nichts los!“
Und manchmal sage ich dazu:
„Dann mach doch was los!“
Manchmal sage ich:
„Mal sehen, was der Tag mir bringt.“
Und manchmal höre ich dann:
„Sieh zu, dass du was in den Tag bringst!“
Es gibt vielleicht Quallen und Scherben am Strand.
Doch sicher habe ich Augen, sie zu sehen,
und Füße, um sie herum zu laufen.
Ein Löwe kommt auf dich zu.
Das ist so. Sieh es!
Und sieh auch, vergiss nicht
die Kalaschnikow in deiner Hand!
Jean-Paul Sartre sagt: "Die Hölle, das sind die Anderen."
Ich sage: "Die Hölle, das ist mein Umgang mit den Anderen."
Nicht das Andere, was auf uns zukommt,
der Andere, der auf uns zukommt,
sondern die Schritte,
mit denen wir selber auf Anderes zugehen, auf Andere zugehen,
bestimmen unser Leben,
bestimmen unser Glück.
Kein Spiel kann ich nur mit mir selber spielen.
Das Spielfeld, das gehört mir nicht alleine,
sondern auch anderen, manchmal sogar vielen.
Die Züge jedoch, die ich mache, die sind meine.
Kommentar:
Warte nicht, bis der Andere merkt, was du dir wünschst,
was du brauchst!
Sag' es ihm und frag' ihn!
Und
(Die andere ganz-machende Seite der Münze) :
Warte, bis der Andere dir sagt,
was er sich wünscht!
Warte, bis er dich danach fragt!
Dräng ihm nichts auf,
unge-fragt und uner-beten,
vielleicht auch un-nötig und un-erwünscht!
Lass auch dem Anderen seine Freiheit,
lass auch dem Anderen seine Eigen-Macht,
gut selber für sich selbst zu sorgen!
(Doch gib ihm einfach,
was er braucht,
was Not ihm wendet,
manchmal auch ungefragt und unerbeten!)
Statt etwas selber zu machen, warten wir oft auf etwas, auf Andere, erwarten etwas von Anderen.
Das Warten spielt eine große Rolle in einer passiven Grundhaltung, in der man sich scheut, selbst Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, damit sich aber auch der Möglichkeit beraubt, sein Leben selbst zu gestalten, selbst zu bestimmen.
Selbst-Macht ist nur möglich, wenn man selber macht.
Das Stück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett ist geprägt vom Zwang zu endlosem, sinnlosem und vergeblichem Warten. Von einem doppelten Zwang: Die Hauptpersonen auf der Bühne warten auf Godot, ohne zu wissen, wer Godot eigentlich ist und ob es ihn überhaupt gibt. Godot kommt nicht. Und der Zuschauer wartet darauf, dass auf der Bühne irgendwas passiert, was nicht grotesk und absurd ist. Und auch er wartet vergebens.
In einer Aufführung soll es einmal vorgekommen sein, dass ein wohl völlig frustrierter Zuschauer am Schluss des Stückes auf die Bühne sprang und mit weit ausgebreiteten Armen laut rief: „Godot ist jetzt da!“
Wer die Bühne des Lebens Anderen überlässt und selbst in einer passiven Zuschauerrolle bleibt, sieht ein sinnloses Stück. Man muss den Zuschauerraum verlassen, auf die Bühne springen, selber im Stück mitspielen, in das Stück eingreifen, das Stück verändern, um die Sinnlosigkeit zu beenden.
Francis Bacon hat mal gesagt (oder geschrieben?):
„Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“
Man könnte ergänzen:
Warte nicht, bis du von Anderen, durch Anderes glücklich gemacht wirst, um dankbar zu sein!
Sei dankbar, um dich selbst glücklich zu machen! (und Andere nebenbei auch)
In dem Buch "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" von Eric-Emmanuel Schmitt lädt der alte Kolonialwarenhändler Ibrahim seinen jungen Freund Momo zu einem Experiment ein:
Nicht zu lächeln, wenn und weil er glücklich ist,
sondern zu lächeln, um glücklich zu werden, glücklich zu machen - sich selbst und Andere.
Momo probiert es aus. Er lächelt.
Mit durchschlagendem Erfolg:
Vom Turnlehrer wird er nicht dafür ausgeschimpft, dass er seine Turnschuhe vergessen hat.
Von der Mathematiklehrerin wird er nicht getadelt, weil er die Hausaufgaben nicht verstanden hat.
In der Schulkantine bittet er um etwas mehr Maronencreme - und er bekommt sie.
Monsieur Ibrahim hat ihm eine gewaltlose Waffe in die Hand gegeben,
der niemand widerstehen kann,
mit der er Andere für sich gewinnt,
nicht gegen Andere gewinnt,
mit der er siegt, ohne zu kämpfen,
eine Waffe, die unbesiegbar ist,
die stark ist, die Macht hat -
die Macht, glücklich zu machen
Man muss nicht schon glücklich sein, um lächeln zu können, um dankbar sein zu können.
Man kann lächeln, man kann dankbar sein, um sich und Andere glücklich zu machen.
Und was für das Lächeln gilt, gilt vielleicht auch für das Lachen.
Publiziert am: Freitag, 03. April 2020 (802 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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