Das Un-Heile ist nicht so wichtig, wie es zu sein scheint


"Hartmut hätte daraufhin wahrscheinlich gesagt: "Ich glaube ja, dass am Ende aller Zeiten der Christus den Anti-Christ besiegt und alles gut wird. Aber was nützt uns das heute, jetzt, in der Zeit, in der wir leben? Ich finde, dass die Welt gerade nicht besser wird, sondern schlechter, das Rad sich nicht vorwärts dreht, sondern zurück."

 

Und ich hätte darauf geantwortet:

"Warum gibst du denn den Übeln und Misständen in der Welt, die sich gegen jede Vernunft hartnäckig halten, und Fehlentwicklungen, die gegenwärtig zusätzlich geschehen, eine Überbedeutung, die sie im großen Ganzen insgesamt auch dann nicht haben, wenn du deinen Blick auf die jetzige Zeit beschränkst und einengst?

 

Du hast dich Gott sei Dank nicht völlig entsetzt über jeden islamistischen Terroranschlag, hast nicht den Blick für einen angemessenen Maßstab verloren. Als ein tunesischer Terrorist im Dezember einen Lkw in einen Stand auf einem Weihnachtsmarkt steuerte, sind 12 Menschen gestorben. Das ist natürlich schlimm. Doch es ist ein einziger Weihnachtsmarkt von Tausenden.

Du hast nicht vergessen, was du so oft Patienten verdeutlicht hast: Nachrichten verzerren die Realität ins Negative. Negative Ereignisse erhalten darin eine Überbedeutung, die nicht angemessen ist.

„Millionen von Kindern spielen im Sommer an irgendwelchen Swimmingpools und haben Spaß. Und ebenso viele Mütter sitzen am Beckenrand daneben, trinken ein Tässchen Kaffee, reden angeregt mit anderen Müttern und haben auch Spaß. Die stehen alle nicht in der Zeitung. Das eine Kind, das im Swimmingpool ertrinkt, das steht in der Zeitung.“

Dieses Beispiel hast du ja oft deinen Patienten erzählt. So oft, dass du jetzt weiterhin sehen konntest: Mit den Informationen über Flüchtlinge oder Einwanderer aus dem islamischen Kulturkreis war es genauso. Die überwiegende Mehrheit waren doch einfach nur Menschen, die menschlich leben und mitmenschlich zusammenleben wollten, in Sicherheit und in Frieden. Die tauchten alle nicht in der „Tagesschau“ auf. Die fielen ja nicht auf, lenkten ja nicht die Aufmerksamkeit auf sich. Die wenigen negativen Ausnahmen bestimmten das Bild.

 

Du warst nicht über einzelne Ereignisse schockiert; die es ja auch schon immer gegeben hatte. Auch bei dem Massaker dieses Norwegers vor ein paar Jahren, der damit ja paradoxerweise das christliche Abendland schützen wollte, sind viele Menschen gestorben. Dieser Fanatiker, der auf einer Insel einfach auf die Jugendlichen in einem Ferienlager geschossen hat, wahllos einfach möglichst viele erschießen wollte, um ein warnendes Zeichen (gegen kulturelle Überfremdung und Unterwanderung!) zu setzen, kann mit jedem islamistischen Terroristen mithalten.

Es hat in Nordirland den Terror der IRA, in Spanien die ETA gegeben, in Südtirol wurden Carabinieri in die Luft gesprengt, in Deutschland gab es die RAF.

Nein, Einzelereignisse haben dich nicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Das hast du dich selbst dadurch, dass du dir über die Weltentwicklung insgesamt Sorgen gemacht hast.
Du hast natürlich Recht: Wenn 50% der jungen Muslime in Frankreich die Scharia über die französische Verfassung stellen, ist das kein Einzelfall. Wenn ein großer Teil der Deutschtürken dem Autokraten Erdogan zujubeln, auch nicht. Und wenn nicht nur die Mehrheit der US-Amerikaner einen Donald Trump zum Präsidenten wählt, sondern eventuell die Mehrtheit ihn auch trotz unzähliger Lügen, schwachsinniger Äußerungen und sogar Straftaten wieder zum Präsidenten wählen will, auch nicht.

 

Dennoch:

Wenn du umfassend und ganzheitlich siehst, die Entwicklung auf der Welt überall und in jeder Hinsicht, dann fällt die Menschheit auch in der Gegenwart nicht zurück, sondern schreitet vorwärts.

Auch mit Putin, Erdogan und Trump, auch mit Salafisten, Al Kaida und IS, auch mit einer kleinen Minderheit geldgieriger Kapitalisten, die Arbeitnehmer nur noch als Kostenfaktor sehen, den man niedrig halten muss, die man auspresst wie die Zitronen, bleibt die Welt eine schöne Welt, in der es sich zu leben lohnt. Auch die von Menschen gemachte. Und die von Gott geschaffene sowieso. Alle Missstände und Übel in der Welt sind zusammen nur die Müllkippe, die ein korrupter Stadtrat in das paradiesische Tal der Sonnenblumen gebaut hat. Sie stört natürlich. Doch sie verschandelt nur einen kleinen Teil des Tals. Auf dem überwiegenden Teil wachsen immer noch wunderschöne Sonnenblumen.

 

Ein Paradies bleibt auch mit einer Schlange ein Paradies.

Auch mit zwei oder drei Schlangen.

 

Sie wollen wirklich noch genauer wissen, was Hartmut damals Unsinniges dachte, welche unselige Verwirrung das damals genau war, die ihn ein ganzes Jahr lang von mir, seinem wahren Ich, abgeschnitten hat?

Wir sind doch genug Sprossen auf der Stufenleiter der Unwissenheit abgestiegen, immer tiefer in einen Brunnen, der immer dunkler wird, mit sumpfigem Wasser am Grund. Ich würde gerne mit Ihnen wieder zurück nach oben, ans Licht.

Aber gut - wenn Sie es unbedingt wollen.

„Des Menschen Wille ist sein Himmelreich."

 

Publiziert am: Sonntag, 08. März 2020 (1155 mal gelesen)
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