Gegner, nicht Feind

(Kämpfe für, nicht gegen)


 

Greif’ nur zum Schwert, um Not zu wenden,

nicht dann, wenn du es gar nicht musst!

Und jeden Kampf, den du vermeiden kannst,

hast du ja schon gewonnen.

 

Doch wenn du doch mal kämpfen musst,

weil jemand dich bedrängt mit seinem Schwert,

weil du nicht überhören kannst und willst,

dass jemand, von Gewalt bedroht, um Hilfe schreit,

dann kämpfe für, nicht gegen!

 

Dann kämpfe rückhaltlos entschlossen!

Kämpf' ohne Zögern, ohne Zweifel!

Doch kämpf' auch ohne Groll und Hass,

Verachtung, Rache, Zorn und Wut!
 

Nimm dem, den du bekämpfen musst, nicht übel,

dass er dich durch den Angriff stört

in deiner Ruhe, deinem Frieden,

dich unerwünscht zum Streiten zwingt!
 

Und lass’ dich nicht dazu verleiten,

den Hassenden auch selbst zu hassen.

Denn Hass stärkt immer nur den Hass!

Rachsucht vergiftet, Hass verhärtet

und Groll verbittert deine Seele.

Wut macht dich blind, Zorn ungerecht,

Verachtung macht dich überheblich.

 

Der, den der Hass zum Angriff treibt,

ist nicht nur Täter, ist auch Opfer,

ist selber Opfer seines Hasses.

Der Mensch, der dich zum Kämpfen zwingt,

der ist dein Gegner, nicht dein Feind.

Dein wahrer Feind ist Groll und Hass,

Verachtung, Rache, Zorn und Wut,

nicht nur im Anderen -  auch in dir.

 

Nicht gegenüber steht dein Gegner dir im Kampf:

Er steht an deiner Seite, steht auf deiner Seite -

verbündet mit dir gegen einen Feind,

der euch gemeinsam angreift und bedroht -

Verachtung, Groll und Hass,

Zorn, Wut und Rache.

 






Kommentar:

 

I.

Wenn du kämpfst, dann kämpfe wie ein Profi,

der eben seinen Job macht,

der tut, was hier und jetzt zu tun ist,

der seinen Job gut machen will,

weiß, dass er seinen Job gut machen kann!

Kämpf' souverän

mit selbstverständlicher Gelassenheit!




 

Was es heißt, ohne Hass, Wut und Verachtung zu kämpfen, zeigt das indische Nationalepos Mahabharata. Die Helden in diesem Epos sind fünf Brüder, die Söhne des Pandu, die Pandavas. Weil es die Pflicht eines Kriegers erfordert, müssen sie gegen ihre Vettern Krieg führen, die Kurus, die diesen Kampf wegen ihrer vielen Schandtaten durchaus verdient haben. Aber nicht nur gegen sie, sondern auch gegen den gemeinsamen Großvater und gegen den gemeinsamen Lehrer, die eigentlich lieber gar nicht kämpfen würden oder, wenn sie es müssten, auf der Seite der Pandu-Söhne. Doch alte Versprechen und Verträge, die Pflicht eines Kriegers, loyal zu sein, zwingen sie dazu, für die, die im Unrecht sind und die sie weniger lieben, gegen die zu kämpfen, die im Recht sind und die sie mehr lieben.

Und sie wissen, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen können. Denn auf der Seite der Pandavas steht der Gottmensch Krishna, der sie zu einem sicheren Sieg führen wird.

Sie kämpfen, weil es die Pflicht gebietet, den aussichtslosen Kampf - mit vollem, rückhaltlosem Einsatz, mit allen Stärken, mit ihrer ganzen Kraft. Doch sie kämpfen ohne Hass, kämpfen mit Liebe gegen die, die sie lieben. Sie kämpfen, um ohne Hass zu töten, um mit Liebe zu töten, um die zu töten, die sie lieben.


 

Wenn du kämpfen musst,

weil es die Pflicht erfordert,

dann lerne, zu kämpfen wie ein Krieger:

ohne Hass zu kämpfen, ohne Hass zu töten

mit Liebe zu kämpfen, sogar mit Liebe zu töten!

Denn der Andere ist dein Gegner, nicht dein Feind.



Ein nur kurzer, doch zu Recht berühmter Auszug aus dem Mahabharata ist die Bhagavad-Gita, das großartige Lehrgedicht, in dem Krishna seinem Freund und Schüler Arjuna in einmaliger Weisheitsdichte das Wissen vom „rechten Handeln“, das gleichzeitig Nicht-Handeln ist, vom selbst-losen, ego-freien, absichts-losen Handeln für das Wohl des Universums verkündet.

„... der große Krishna lehrt (ihn), dass der Mensch erst weise wird, sich erst verbindet mit dem Göttlich-Unvergänglichen, wenn er seine Taten verrichtet, weil die Taten im äußeren Verlauf der Natur- und Menschheitsentwicklung sich als notwendig ergeben, dass aber der Weise sich loslösen muss von diesen Taten. Er tut die Taten, doch etwas ist in ihm, was zugleich wie ein Zuschauer ist gegenüber diesen Taten, was keinen Anteil nimmt an ihnen, was da sagt: ich tue das Werk, aber ich könnte ebenso gut sagen, ich lasse es geschehen.“

(Rudolf Steiner, Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe)



II.

Letztlich ist es auch nicht sinnvoll, Zorn und Hass etc, aggressive und destruktive Gefühle in der eigenen Innenwelt, als Feind zu betrachten. Sie sind nicht "böse", Übel, die bekämpft und vernichtet werden müssen. Sie sind einfach falsch, Irrtümer, die berichtigt werden müssen. Weil sie unwahr sind, sind sie schädlich und ungesund, sind nicht heil und schaffen deshalb Un-heil. Weil sie krank sind, brauchen sie einen Arzt, keinen Krieger, der sie vernichtet.


 

Du hast niemanden als Feind -

auch nicht dich selbst.

Mache dir nicht dich selbst zum Feind!



Wer gegen andere kämpft,

bekämpft auch oft sich selbst.

Weil er kämpft gegen andere,

bekämpft er auch sich selbst.

 

Der, der sich selbst bekämpft,

kämpft oft auch gegen andere.

Weil er sich selbst bekämpft,

kämpft er auch gegen andere.

 




Kämpfe nach außen nur,

wenn du es musst!

Kämpf' gegen andere nur,

wenn es die Not erfordert

(es not-wendig ist)!

Kämpf' dann, ohne zu kämpfen!

 

Kämpfe nach innen nie!

Kämpf' nie gegen dich selbst!

Das musst du nie.

Nie fordert es die Not.




 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (907 mal gelesen)
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