Rosenfenster
Du gleichst des Rades Speichen und der Sonne Strahlen:
Als Rad bist du ein Bild der „ewigen Wiederkehr“,
der Zeit, die sich im selben Kreis für immer dreht,
nicht der, die schreitet weiter fort zu immer mehr.
Du bist der Anfang, der sich selbst am Schluss versteht.
Wo du dich drehst, fließt aus zum Raum die Zeit.
Die Zeitenenge weitet sich zum off'nen Raum.
Wo das geschieht, sei für den Gral bereit!
Die höchste Wandlung ist nicht länger ferner Traum.
Als Strahlen gleichst du der getreuen Gottesliebe,
die von der Mitte aus sich dehnt nach allen Seiten,
der Schöpfung, die sich nicht erschöpft im Weltgetriebe,
die ewig sich verströmt in unbegrenzte Weiten.
Du bist gleich stark in jede Richtung ausgerichtet,
strebst nicht nur hier hin, dort hin jedoch nicht.
Du bist nicht nur einer Partei allein verpflichtet,
bist frei für alles wie das Sonnenlicht.
In dir erscheint erhaben Gottes Herrlichkeit.
Du bist Bewegung, die auch in sich ruht.
Du bist sichtbarer Ausdruck der Vollkommenheit.
Dich anzuschauen tut den Augen gut.
Einen Ein-Blick in die Vielseitigkeit der Rosenfenster findest du hier:
Kommentar:
Natürlich ist die Grundform, auf der jedes Rosenfenster beruht, der ganze, ungeteilte Kreis, allein oder in phantasievollen Anordnungen zu allen Zeiten gestaltet worden.
Da, wo man den Kreis durch ein steinernes Maßwerk aufgliederte, lassen sich drei Entwicklungsphasen unterscheiden:
Während der in sich ruhenden Romanik waren die Rosenfenster meistens Radfenster –
in der „strebenden“ Gotik meistens Strahlenfenster –
und als sich die strenge, festgefügte mittelalterliche Ordnung auflöste in das vielfältige Spiel unterschiedlicher Kräfte, entstanden die „verspielten“ curvilinearen und Flamboyant-Fenster.
Publiziert am: Montag, 02. März 2020 (1116 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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