Ein guter Tag zum Sterben
Ich denke wie die alten Indianer:
„Heute ist doch ein guter Tag zum Sterben.“
Nicht, weil ich Gold und Silber in den Händen halte,
sondern weil nichts mehr vor den Händen liegt,
wonach zu greifen sich noch scheinbar lohnt.
Die Götzen, die es gab, sind alle fort, endlich gestorben -
nicht mit Gewalt vertrieben und im Kampf getötet,
sondern gelangweilt freiwillig gegangen,
verhungert und verdurstet eingeschlafen,
weil ich sie nicht mehr durch Beachtung an mich band,
sie zwar noch wahr-, jedoch nicht länger ernst nahm,
nicht mehr durch Wichtigkeit ernährte und am Leben hielt.
Bestimmt wird es mal wieder neue geben,
vielleicht schon bald; es gibt so viele Götzen.
Doch heute ist kein einziger mehr da,
kein einziger, der lügt: „Ich wende Not.“
Nichts trübt daher mein Glück, stört meinen Frieden;
kein Traum, der mich verführt, kein Ziel, das täuschend lockt,
auch keine Frage, die auf Antwort drängt.
Ich blick´ auf nichts, was offen bleibt, zurück,
nichts, was noch wartet darauf, dass ich es gestalte,
niemand, der wartet darauf, dass ich etwas sage.
So gut wie heute wird kein Tag mehr werden.
Von nun an kann es nur noch abwärts geh’n.
Der Strom der Zeit, er sollte nicht mehr weiterfließen,
zum sel’gen Glück des ewigen Augenblicks gerinnen,
das, was jetzt da ist, so erstarren, wie es ist.
Die Uhren müssten heute einfach stehen bleiben,
das Rad der Stunden dürfte sich nicht weiterdreh’n.
Wäre das möglich, es wär wunderschön.
Publiziert am: Samstag, 28. November 2015 (981 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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