Frühstücksschale, Ahornblätter - kurz

 

 

Ein Novize ist gerade in ein Zen-Kloster eingetreten - vor drei Tagen.

Als er ankam, hoffte er, sofort etwas von den großen Lehren zu hören, für die der weise Abt im ganzen Land berühmt war.

Er wartete darauf, bisher vergeblich, inzwischen schon drei Tage lang.

Der Abt hatte die Mönche an keinem dieser drei Tage zu einer Unterweisung zusammengerufen. 

Es lief nur der übliche Alltag ab: aufstehen, frühstücken, arbeiten, Mittagessen, wieder arbeiten, Abendessen, danach etwas freie Zeit zum eigenen Studium der Sutren.
 

Jetzt, am vierten Tag, hält es der neue Mönch nicht mehr aus.

Er geht zum Abt, fragt ihn:

"Meister, wann beginnen denn die großen Lehren, für die du doch im ganzen Land berühmt bist.?

Der Gefragte antwortet mit einer Frage.

"Hast du schon gefrühstückt?"

" Ja, Meister, ich habe schon gefrühstückt."

"Hast du denn schon deine Frühstücksschale ausgewaschen?"

"Nein, Meister, ich wollte dich erst mal fragen, wann du denn mit den Unterweisungen über die großen Lehren beginnst"

"Dann geh und wasche deine Frühstücksschale aus!"

Das ist alles - keine Antwort auf seine Frage.

Enttäuscht schleicht er in seine Mönchszelle zurück.

 

An diesem Morgen bekommt er von einem älteren, schon fortgeschrittenen Mönch den Autrag,

im Klosterhof das Laub des Ahornbaums zusammenzufegen und aufzusammeln.

Es liegen viele Blätter auf dem Weg, der vom Eingang in den Klosterbereich über den Hof zum Hauptgebäude führt - schrecklich viele Blätter.

"Ich werde Stunden brauchen, bis ich damit fertig bin.

Ich hoffe nur, dass der Meister nicht ausgerechnet in der Zeit, in der ich hier diese Blätter fege, mit den Unterweisungen in die großen Lehren beginnt.

Das will ich doch auf keinen Fall verpassen."

Mürrisch, doch gehorsam fängt er an, zu fegen.

Der ältere Mönch, der ihm im Auftrag des Abtes den Auftrag erteilt hat, steht in der Nähe und beobachtet ihn die ganze Zeit.

Schließlich, endlich sieht der Novize nur noch wenige Blätter vor sich auf dem Boden liegen.

Da nähert sich der ältere Mönch dem Ahornbaum, ergreift seinen Stamm mit beiden Händen und schüttelt ihn kräftig,

so lange, bis seine Blätter wieder den ganzen Boden bedecken.

Der junge Mönch ist völlig verwirrt, wütend - und sprachlos.
 

Da tritt der Abt, der Meister aus der Tür und spricht;

"Das ist die erste der großen Lehren:

Höre auf, zu warten -

darauf, dass etwas anfängt, die Unterweisungen über die großen Lehren;

darauf, dass etwas aufhört, dass immer noch Blätter auf dem Boden liegen!"

 

 

 

 

Publiziert am: Dienstag, 10. Dezember 2024 (11 mal gelesen)
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