Bleibe in deinem Leben!
In der Geschichte vom Strand taucht ein Prinzip auf, das uns im Folgenden in verschiedenen Varianten immer wieder begegnen wird: Unterscheide klar zwischen deinem eigenen Leben und dem Leben Anderer! Das Kriterium, nach dem du diese Unterscheidung treffen kannst, ist einfach und schneidet scharf wie ein Schwert:
Dein Leben ist nur das, was du als deinen Lebensraum mit deinem Mund, deinen Händen und deinen Füßen gestalten kannst. Alles, was andere mit ihrem Mund, ihrem Handeln, ihren Füßen gestalten, ist nicht dein Leben, sondern das Leben der Anderen. Auch dann, wenn der Mund des anderen etwas zu dir sagt, wenn er dir mit der Faust droht oder die Hand reicht, wenn er mit seinen Füßen auf dich zu kommt oder von dir wegläuft.
Ich und du
Ich bin ich, und du bist du.
Du bist du, und ich bin ich.
Ich bin auf der Welt,
um zu lieben,
was mir liebenswert ist.
Ich bin in der Welt,
um zu tun,
was ich für wichtig halte,
was ich für richtig halte.
Und du bist auf der Welt,
um zu lieben,
was dir liebenswert ist.
Du bist in der Welt,
um zu tun,
was du für wichtig hältst,
was du für richtig hältst.
Wenn wir uns dabei begegnen,
ist das schön.
Wenn es geht,
können wir ein Stück gemeinsam geh’ n.
Wenn es nicht geht,
kann ich es nicht ändern.
(frei nach Fritz Perls)
Anders
Der Andere ist nicht du.
Er ist kein Teil von dir.
Er ist nicht deine Hand.
Er ist auch nicht dein Fuß.
Er ist nicht auf der Welt,
um so zu sein wie du.
Er ist nicht auf der Welt
um, was du willst, zu tun.
Er ist nicht auf der Welt,
um, was du willst, zu sein.
Auf der Welt ist er,
um er zu werden.
Auf der Welt ist er,
um er zu sein.
Auf der Welt ist er,
um, was er will, zu tun.
Auf der Welt ist er,
um, was er will, zu sein.
Du bist nicht der Andere.
Du bist kein Teil von ihm.
Du bist nicht seine Hand.
Du bist auch nicht sein Fuß.
Du bist nicht auf der Welt,
um so zu sein wie er.
Du bist nicht auf der Welt,
um, was er will, zu tun.
Du bist nicht auf der Welt
um, was er will, zu sein.
Auf der Welt bist du,
um du zu werden.
Auf der Welt bist du,
um du zu sein.
Auf der Welt bist du,
um, was du willst, zu tun.
Auf der Welt bist du,
um, was du willst, zu sein.
Kommentar:
Wenn du ein Mensch bist,
der einen Anderen als Anderen sieht,
dann kannst du nicht auf Dauer mit einem Menschen zusammenleben,
der dich als einen Teil von sich sieht,
als seinen Mund, als seinen Fuß, als seine Hand.
Wenn du dein Anders-Sein vertrittst,
begehst du in den Augen des Anderen,
der ja kein Anderer sein will,
der auch nicht will, dass du ein Anderer bist,
heimtückisch, hinterlistig Hochverrat,
hast Zorn und Wut verdient, Strafe und Rache,
wie seine Hand, die nicht mehr ihm gehorcht,
die sich nicht mehr bewegt, wie er es will
die sich von selbst bewegt, wie sie es will.
Von seiner Hand erwartet er zu Recht Gehorsam.
Du aber bist nicht seine Hand.
Wenn du dein Anders-Sein verleugnest,
wenn du dein Anders-Sein verrätst,
gibst du dich selber auf.
Dann kannst du nicht mehr wachsen,
dann kannst du nicht mehr werden,
zu dem, was du sein willst,
zu dem, was du sein kannst.
Wenn du ein Mensch bist,
der einen Anderen als einen Teil von dir sieht,
kann auf die Dauer kein Mensch mit dir leben,
der dich als einen anderen sieht,
der sich als einen Anderen sieht.
Es ist nicht unsere Aufgabe, einander näher zu kommen,
so wenig wie Sonne und Mond zueinander kommen oder Meer und Land.
Unser Ziel ist es, einander zu erkennen
und einer im Anderen das zu sehen und ehren zu lernen, was er ist:
des Anderen Gegenstück und Ergänzung.
(Hermann Hesse)
Was mich etwas angeht
Wie du mich siehst,
das geht nur dich was an.
Es ist dein Sehen. Es gehört zu dir.
Mein Sehen ist es nicht.
Deshalb geht’s mich nichts an.
Wie ich dich sehe,
das geht nur mich was an.
Es ist mein Sehen. Es gehört zu mir.
Dein Sehen ist es nicht.
Deshalb geht’s dich nichts an.
Was du mir sagst,
das geht nur dich was an.
Es ist dein Sagen. Es gehört zu dir.
Mein Sagen ist es nicht.
Deshalb geht’s mich nichts an.
Was ich dir sage,
das geht nur mich was an.
Es ist mein Sagen. Es gehört zu mir.
Dein Sagen ist es nicht.
Deshalb geht’s dich nichts an.
Wenn ich dir etwas gebe,
dann geht es mich was an, dass ich es gebe.
Es ist mein Geben. Es gehört zu mir.
Was du dann aus der Gabe machst,
das geht mich nichts mehr an.
Es ist dein Nehmen. Es gehört zu dir.
Es geht nur dich was an.
Wenn du mir deine Hand zur Hilfe reichst,
dann geht es dich was an, dass du sie reichst.
Es ist dein Reichen. Es gehört zu dir.
Ob ich dann deine Hand ergreife,
das geht dich nichts mehr an.
Es ist mein Greifen. Es gehört zu mir.
Es geht nur mich was an.
Du hast ein Problem mit mir?
Behalte es!
Es gehört ja dir.
Lass es bei dir!
Es gehört ja zu dir.
Was du denkst über mich,
es sagt viel mehr aus über dich
als über mich.
Was ich denk über dich,
es sagt viel mehr aus über mich
als über dich.
Das, was geschieht,
es hat zunächst zu tun mit dem,
wo es geschieht.
Das, was ich denke über dich,
geschieht ja nicht in deinem Kopf.
Es geschieht in meinem Kopf.
Es hat mit mir zu tun.
Lass’ es bei mir!
Das, was du denkst über mich,
geschieht ja nicht in meinem Kopf.
Es geschieht in deinem Kopf.
Es gehört zu dir.
Lass es bei dir!
Wenn du ein Problem mit mir hast,
kann ich es nicht für dich lösen.
Nur du kannst es lösen.
Wenn du es nicht in dir lösen willst,
dann wirst du es behalten.
Es gehört ja dir.
Es gehört ja zu dir.
Doch ich kann es mit dir lösen,
wenn du es mit mir lösen willst.
Wenn ich ein Problem mit dir habe,
kannst du es nicht für mich lösen.
Nur ich kann es lösen.
Wenn ich es nicht in mir lösen will,
dann werd' ich es behalten.
Es gehört ja mir.
Es gehört ja zu mir.
Doch du kannst es mit mir lösen,
wenn ich es mit dir lösen will.
Kommentar:
Das Gedicht ist eine Einladung an dich, lieber Leser, dein Leben von einem bestimmten Standpunkt, mit einer bestimmten Blickrichtung zu de-finieren, abzu-grenzen von anderem Leben: vom Standpunkt, unter der Perspektive der Eigen-Verantwortung:
Sieh das als dein Leben an, was du selbst aktiv als deinen Lebensraum gestalten kannst, wofür du deshalb auch verantwortlich bist!
Trenne mit dem Schwert,
dem Schwert der klaren Unterscheidung,
dein eigenes Leben scharf
von anderem, fremden Leben,
was dir gar nicht gehört,
was nicht zu dir gehört!
Und lebe da,
und bleibe da,
wo du auch leben kannst:
In deinem eigenen Leben!
Hier ist dein Reich.
Hier hast du Macht.
Versuche nicht,
bemüh’ dich nicht,
zu leben da,
wo du nicht leben kannst:
jenseits der Grenze
in dem Reich,
in dem die Anderen herrschen!
Dort hast du keine Macht,
irrst nur verloren durch das fremde Land.
(Rudolfo Kithera, Weg und Nicht-Weg, Teil I, S. 176
Was der Andere tut, ist Teil der Realität, die mit Allmacht das ist, was sie ist, so ist, wie sie ist, ein Teil der Wirklichkeit, die mit Allmacht wirkt. Innerhalb deines Lebensraums bist du selbst diese Wirklichkeit. Doch außerhalb des Raums, den du selbst bestimmst und gestaltest, steht sie dir mit ihere ganzen Macht gegenüber. Hadere dann nicht mit ihr! Bekämpfe sie nicht da, wo du sie nicht bist. Genauso gut könntest du dem "lieben Gott" den Krieg erklären. Diesen Krieg kanst du nur verlieren.
All-Macht und Ohn-macht
Wo meine Ohnmacht aufhört,
fängt meine Allmacht an.
Wo meine Allmacht aufhört,
fängt meine Ohnmacht an.
Wo meine Allmacht aufhört,
fängt deine Allmacht an.
Wo meine Ohnmacht aufhört,
fängt deine Ohnmacht an.
Wo meine Freiheit aufhört,
fängt deine Freiheit an.
Wo deine Freiheit aufhört,
fängt meine Freiheit an.
Die Wirklichkeit geschieht
Sieh alles, was es gibt!
Sieh alles, was geschieht!
Und denke dabei niemals:
„Das dürft‘ es gar nicht geben,
das dürfte nie gescheh‘ n.“
Sieh alles, was getan wird!
Sieh das, was jemand tut!
Und denke dabei niemals:
„Wie kann man so was tun?!“
Denke: „Ach so, das tut er.
Was kann ich denn jetzt tun?
Was ist denn meine Antwort
auf das, was er da tut?“
Kommentar:
Manchmal erzähle ich Patienten/Patientinnen folgende Geschichte:
Stellen Sie sich vor, Sie gehen über diesen Parkplatz und ein Riese, viel größer und stärker als Sie, rennt mit einem langen Messer auf Sie zu. Natürlich können Sie in dieser Situation denken: „Das ist doch unerhört! Wie kann denn dieser Kerl, drei mal so stark wie ich, mich, der ich unbewaffnet bin und mich doch gar nicht wehren kann, mit diesem Messer angreifen. Ich hab dem doch gar nichts getan. Das ist doch völlig unfair. Das dürfte es doch gar nicht geben. Den sollte man sofort einen Kopf kürzer machen!“ Natürlich können Sie das alles denken und dementsprechend Empörung, Entrüstung fühlen. Das hat nur einen erheblichen Nachteil: Sie sind sprachlos und gelähmt, handlungsunfähig und werden abgestochen. Jeder einigermaßen vernünftige Mensch wird in einer solchen Situation gar nicht denken, sondern handeln. Und wenn er etwas dächte, würde er sehr wahrscheinlich etwa Folgendes denken: Es ist mir im Moment völlig egal, ob das, was der da tut, fair oder gerecht ist, ob er es tun sollte oder tun darf. Ich verzichte einfach darauf, zu bewerten, was er tut. Ich mache mir auch keine Gedanken darüber, warum er es vielleicht tut. Ich nehme schlichtweg als Tatsache zur Kenntnis, dass er mich mit einem Messer angreift. Dann bin ich nämlich frei, mich ausschließlich mit dem zu beschäftigen, was jetzt alleine wichtig ist, der Frage: Wie finde ich eine günstige eigene Position zu dieser Tatsache. Wenn Sie jetzt zufälligerweise Olympiasiegerin in Karate wären, wäre es vielleicht eine günstige Position, auf den Angreifer zuzugehen und ihm das Messer abzunehmen. Sie würden sich vielleicht sogar darüber freuen und denken: „Endlich mal eine Gelegenheit, in einer wirklichen Situation zu zeigen, was ich kann.“ Wenn Sie aber nicht Olympiasiegerin im Karate sind, was ich für wahrscheinlicher halte, besteht die günstige Position einfach darin, den Abstand zu vergrößern
Wenn du außerhalb deiner Grenzen lebst, verhältst dich so, als würde der Deutsche Bundestag am laufenden Band Verfassungsentwürfe für China ausarbeiten. Die wandern dann in Peking regelmäßig ungelesen in den Papierkorb.
Wenn ich versuche, außerhalb meiner Grenzen Einfluss zu nehmen, da, wo ich keine Macht habe, schaffe ich mir eben Erfahrungen von Ohn-Macht.
Und eine zwingende Regel bestimmt den Zusammenhang zwischen dem Leben innerhalb der eigenen Grenzen und dem so oft krampfhaften und vergeblichen Bemühen, mich in das Leben anderer einzumischen. Es geht nicht beides zur selben Zeit. Wenn ich mich in das Leben Anderer einmische, versäume ich mein eigenes. In der Zeit, wo der Deutsche Bundestag Verfassungsentwürfe für China entwickelt, bleiben die Gesetze, die dringend für Deutschland verabschiedet werden müssten, unbearbeitet liegen.
Unterscheide klar, ob die Wirklichkeit auf deiner Seite oder dir entgegen steht!. Wenn sie dich unterstützt, nutze ihre Macht mit Zuversicht und Entschlossenheit! Wenn sie sich dir entgegenstellt, dann leg dich nicht mit ihr an! Mache - deiner Grenzen bewusst - bescheiden und demütig ein Friedensangebot!
Gott gib mir
die Gelassenheit,
die Dinge anzunehmen,
die ich nicht ändern kann,
den Mut,
die Dinge zu ändern,
die ich ändern kann,
und die Weisheit,
den Unterschied zu sehen.
( das "Gelassenheitsgebet" von Reinhold Niebuhr)
Ich möchte mit dir, lieber Leser, noch einmal zu der Strandgeschichte nzurückgehen.
Den Begleiter in der Sonne dösen zu lassen, ist Gelassenheit, das zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist. Dann eben alleine ins Wasser zu gehen, ist Mut, das zu verändern, was ich ändern kann.
Wenn ich das tue, folge ich einem wichtigen Prinzip, das ich verinnerlicht und auch verkörperlicht habe, so dass es in „Fleisch und Blut“ übergegangen ist, in den Jahren, in denen ich Aikido, eine japanische Kampfkunst, geübt habe:
Versuche nicht, andere in Bewegung zu bringen! Bewege dich selber!
Wenn du, lieber Leser, in einem Stuhl sitzt, links von dir sitzt zwei Meter entfernt ein Anderer auch in einem Stuhl, und der Abstand ist dir nicht genug, dann kannst du natürlich versuchen, den Anderen zu überzeugen, dass er seinen Stuhl nimmt und einen Meter nach links verrückt. Das wird er aber wahrscheinlich nicht tun; denn er hat ja gute Gründe dafür, gerade da zu sitzen, wo er sitzt, und ist ja überzeugt, dass er da richtig sitzt. Du wirst ihn wahrscheinlich nicht überzeugen können. Und dazu zwingen, sich weiter weg zu setzen, kannst du ihn auch nicht. Es geht darum, ob er seine Füße und Hände bewegt oder nicht. Das entscheidet er, nicht du. Das betrifft seinen Lebensraum, den er gestaltet, wie er es will. Du versuchst, Einfluss auszuüben in einem Bereich, in dem du keine Macht hast. Du mühst dich nur vergeblich ab, fühlst dich zu Recht ohn-mächtig, ohne Macht, das zu erreichen, was du willst..
Aber, um das zu erreichen, was du willst, bist du auf das wohlwollende Mitspielen des Anderen gar nicht angewiesen. Du musst dich gar nicht von ihm abhängig machen, weil du es nicht bist. Was du erreichen willst, ist mehr Abstand. Den kannst du auch alleine, nur mit eigenen Kräften herstellen, indem du deine eigenen Hände und Füße bewegst. Niemand hindert dich daran, den eigenen Stuhl zu nehmen und ihn einen Meter nach rechts zu setzen. Dann hast du den Abstand, den du willst. Das ist deine Bewegung, das betrifft deinen Lebensraum, deinen Machtbereich, den du gestaltest, wie du willst. Und du fühlst dich-wieder zu Recht- als jemand, der frei ist, der sein Leben selbst bestimmen kann.
Wenn du einen pubertierenden Sohn hast, dem du schon hundert Mal gesagt hast, er solle - wie doch abgesprochen-, den schon überquellenden Mülleimer in den dafür vorgesehenen Container entleeren, dann wird es sehr wahrscheinlich zum hunderteinsten Mal genauso wenig bringen. Du willst ihn durch deinen Mund dazu bewegen, seine Hände zu bewegen. Dein Sohn sieht dabei völlig realitätsangemessen, dass ja er bestimmt, was er mit seinen Händen macht.
Bewege doch deine eigenen Hände, sehr wahrscheinlich nur ein einziges Mal. Nimm selbst den Mülleimer, trag ihn in das Schlafzimmer deines Sohns und schütt ihn in seinem Bett aus!
Selbst-Macht und selber machen
Er-warte nicht, dass ein Anderer merkt,
was du dir wünschst,
was du brauchst!
Warte nicht, bis er es merkt!
Merke selbst, dass er es nicht merkt,
und sag’s ihm,
frag ihn!
Sorge selbst für das,
was du dir wünschst,
was du brauchst!
Sorge selbst für dich selbst!
„Wie man sich bettet,
so liegt man.
Und es kommt keiner und deckt einen zu.“
(Bertold Brecht)
Manchmal höre ich:
„Hier ist ja nichts los!“
Und manchmal sage ich dazu:
„Dann mach doch was los!“
Manchmal sage ich:
„Mal sehen, was der Tag uns bringt.“
Und manchmal höre ich dann:
„Die Frage ist, was wir in den Tag bringen.“
Es gibt vielleicht Quallen und Scherben am Strand.
Doch sicher habe ich Augen, sie zu sehen,
und Füße, um sie herum zu laufen.
Ein Löwe kommt auf dich zu.
Das ist so. Sieh es!
Und sieh auch, vergiss nicht
die Kalaschnikow in deiner Hand!
Jean-Paul Sartre sagt: " Die Hölle, das sind die Anderen."
Ich sage: "Die Hölle, das ist mein Umgang mit den Anderen."
Nicht das Andere, was auf uns zukommt,
der Andere, der auf uns zukommt,
sondern die Schritte,
mit denen wir selber auf Anderes zugehen, auf Andere zugehen,
bestimmen unser Leben,
bestimmen unser Glück.
Kommentar:
Warte nicht, bis der Andere merkt, was du dir wünschst,
was du brauchst!
Sag es ihm und frag ihn!
Und
(Die andere ganz-machende Seite der Münze) :
Warte, bis der Andere dir sagt,
was er sich wünscht!
Warte, bis er dich danach fragt!
Dräng ihm nichts auf,
unge-fragt und uner-beten,
vielleicht auch un-nötig und un-erwünscht!
Lass auch dem Anderen seine Freiheit,
lass auch dem Anderen seine Eigen-Macht,
gut selber für sich selbst zu sorgen!
(Doch gib ihm einfach,
was er braucht,
was Not ihm wendet,
manchmal auch ungefragt und unerbeten!)
Statt etwas selber zu machen, warten wir oft auf etwas, auf Andere, erwarten etwas von Anderen.
Das Warten spielt eine große Rolle in einer passiven Grundhaltung, in der man sich scheut, selbst Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, damit sich aber auch der Möglichkeit beraubt, sein Leben selbst zu gestalten, selbst zu bestimmen.
Selbst-Macht ist nur möglich, wenn man selber macht.
Das Stück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett ist geprägt vom Zwang zu endlosem, sinnlosem und vergeblichem Warten. Von einem doppelten Zwang: Die Hauptpersonen auf der Bühne warten auf Godot, ohne zu wissen, wer Godot eigentlich ist und ob es ihn überhaupt gibt. Godot kommt nicht. Und der Zuschauer wartet darauf, dass auf der Bühne irgendwas passiert, was nicht grotesk und absurd ist. Und auch er wartet vergebens.
In einer Aufführung soll es einmal vorgekommen sein, dass ein wohl völlig frustrierter Zuschauer am Schluss des Stückes auf die Bühne sprang und mit weit ausgebreiteten Armen laut rief: „Godot ist jetzt da!“
Wer die Bühne des Lebens Anderen überlässt und selbst in einer passiven Zuschauerrolle bleibt, sieht ein sinnloses Stück. Man muss den Zuschauerraum verlassen, auf die Bühne springen, selber im Stück mitspielen, in das Stück eingreifen, das Stück verändern, um die Sinnlosigkeit zu beenden.
Francis Bacon hat mal gesagt (oder geschrieben?):
„Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“
Man könnte ergänzen:
Warte nicht, bis du von Anderen, durch Anderes glücklich gemacht wirst, um dankbar zu sein! Sei dankbar, um dich selbst glücklich zu machen! (und Andere nebenbei auch)
In der Erzählung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ von Eric Emmanuel Schmitt wird der dreizehnjährige Momo, der neben seinem missmutigen Vater ein tristes Leben führt, von seinem Freund, dem alten Kolonialwarenhändler Monsieur Ibrahim, gefragt, warum er denn nie lächle. Momo sagt daraufhin, Lächeln sei doch nur was für glückliche Leute. Der alte Mann widerspricht ihm:
„ Na, da irrst du dich aber. Es ist das Lächeln, das glücklich macht.“
„Quatsch!“
„Versuch’s!“
„Quatsch!“, sag ich.
„Bist du höflich, Momo?“
„Muss ich sein, sonst krieg ich was hinter die Löffel.“
„Höflich sein ist gut. Freundlich sein ist besser. Versuch es mal mit einem Lächeln, und du wirst sehen!“
.....
Am nächsten Tag benehme ich mich wirklich wie ein Blöder, als ob mich in der Nacht was gestochen hätte: Alle und jeden lächle ich an.
„Nein, Madame, ich bitte um Entschuldigung, die Aufgabe in Mathe hab’ ich nicht verstanden.“
Zack. Lächeln!
„Ich hab sie nicht geschafft!“
„Gut, Moses, ich werde sie dir noch einmal erklären.“
Noch nie erlebt. Kein Anschnauzer, kein Tadel. Nichts.
In der Schulkantine....
„Könnte ich noch ein bisschen Maronencreme haben?“
Zack: Lächeln!
„Ja, mit einem Klacks Quark...“
Und ich krieg’s.
Beim Sport gebe ich zu, dass ich meine Turnschuhe vergessen habe.
Zack. Lächeln!
Sie müssen noch trocknen, M´sieur...“
Der Lehrer lacht und klopft mir auf die Schulter.
Ich bin wie im Rausch. Keiner kann mir widerstehen. Monsieur Ibrahim hat mir die wirksamste aller Waffen gegeben. Ich befeuere die ganze Welt mit meinem Lächeln. Ich werde nicht mehr wie Ungeziefer behandelt.
Man muss nicht schon glücklich sein, um lächeln zu können, um dankbar sein zu können.
Man kann lächeln, man kann dankbar sein, um sich und Andere glücklich zu machen.
Und was für das Lächeln gilt, gilt vielleicht auch für das Lachen.
Ein großer japanischer Krieger namens Nobunaga entschloss sich, den Feind anzugreifen, obwohl er nur über ein Zehntel der Männer verfügte, welche der Gegner befehligte. Er wusste, dass er gewinnen würde, aber seine Soldaten waren im Zweifel.
Auf dem Wege machte er bei einem Shinto-Schrein halt und sagte zu seinen Männern: „Nachdem ich den Schrein besucht habe, werde ich eine Münze werfen. Wenn Kopf kommt, so werden wir gewinnen; kommt die Rückseite, verlieren wir. Wir sind in der Hand des Schicksals.“
Nobunaga betrat den Schrein und verrichtete ein stilles Gebet. Dann kam er wieder heraus und warf die Münze. Sie zeigte Kopf. Seine Soldaten waren so begierig, zu kämpfen, dass sie die Schlacht mit Leichtigkeit gewannen.
„Niemand kann gegen die Hand des Schicksals etwas unternehmen“, sagte sein Diener nach der Schlacht.
„Gewiss nicht“, sagte Nobunaga und zeigte ihm eine Münze mit einem Kopf auf beiden Seiten.
(Paul Reps, Ohne Worte - ohne Schweigen)
Ich bin nicht in der Hand des Schicksals.
Ich kann das Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Dann ist das Schicksal in meiner Hand.
(Rudolfo Kithera, Weg und Nicht-Weg, Teil I, S. 189)
Die Sonnenkrake
Ab und zu kommen zu mir Menschen, die sich zu viele Gedanken darüber machen, was andere Menschen über sie denken. Denen erzähle ich dann manchmal Folgendes:
„Sie haben sich angewöhnt, aus einem Grundkonzept heraus zu denken und zu handeln, in dem vor allem wichtig ist, wie andere Menschen zu Ihnen stehen. Dieses Grundkonzept möchte ich Ihnen mal anhand einer Zeichnung veranschaulichen:
Zunächst mal nehmen Sie an, dass um Sie herum bei den anderen Menschen mächtige Energien, starke Kräfte vorhanden sind, die ich hier in der Graphik durch ellipsenartige Gebilde darstelle, die ich im Kreis anordne. Ich zeichne in einige dieser Gebilde ein Punkt ein. Das sind mächtige Augen. In andere zeichne ich einen waagerechten Strich. Das sind mächtige Münder. Und in wieder andere zeichne ich zwei „parallele“ Wellenlinien ein: das sind mächtige Gehirne.
Das zweite, was sie sich angewöhnt haben, ist: Sie nehmen an, dass sich alle diese mächtigen Kräfte bei den anderen Menschen auf Sie richten. Ich markiere die Stelle, wo Sie in der Mitte zwischen diesen mächtigen Kräften stehen, eingekreist von diesen starken Energien der Anderen, mit einem kleinen x, und zeichne dann Pfeile, die von diesen Kräften ausgehen und sich alle auf Sie richten.
Wenn Sie sich nun vorstellen, jemand steht an der Stelle, die durch das x markiert ist, was glauben Sie, fühlt sich der sich da wohl? Nein, schon in der Graphik sieht es ja so aus, als würde das, was sich an dieser Stelle befindet, von den Pfeilen immer mehr zusammengedrückt, so dass es immer mehr zu einem Punkt zusammenschrumpft. Ich zeichne deshalb drittens um die mit dem x markierte Stelle einen kleinen Kreis, der sich immer mehr zusammenzieht, immer kleiner wird, gegen 0 schrumpft.
Die Alternative zu diesem Grundkonzept wäre ja, vor allem wichtig zu nehmen, wie Sie zu den Anderen stehen – ein grundlegendes „Umdrehen“ der Perspektive. Von ihnen auf die Anderen zu - statt von den Anderen auf Sie zu.
Auch das veranschauliche ich wieder durch eine Graphik, die eine entsprechende Umstülpung darstellt. Von innen nach außen - statt von außen nach innen, und zwar sowohl in der Richtung als auch in der Reihenfolge:
Statt des kleinen Kreises, der immer mehr zusammenschrumpft, zeichne ich jetzt als erstes in die Mitte einen großen Kreis, der sich immer mehr ausdehnt.
Als nächstes zeichne ich wieder die Pfeile, doch jetzt so, dass sie sich nicht von den großen „Außengebilden“ auf den kleinen Kreis in der Mitte richten, sondern so, dass sie sich von dem großen Kreis in der Mitte nach außen richten.
Und zum Schluss zeichne ich wieder die Außengebilde – an dieselbe Stelle, in derselben Größe. An denen hat sich gar nichts geändert, muss sich auch gar nichts ändern, weil sie im Grunde keine Rolle spielen.
Schauen wir uns jetzt noch mal die mittlere Zeichnung an! Stellen Sie sich doch mal vor, ein Kind hätte so was im Kindergarten gemalt! Was könnte das dann sein?
Ja, eine Sonne.
Und das passt auch sehr schön. Denn wenn eine Sonne Bewusstsein, Selbst-Bewusstsein hätte, würde sie sehr wahrscheinlich sagen:
„Ich weiß, was ich bin: Licht und Wärme. Und das, was ich bin, strahle ich einfach aus, drücke ich einfach aus. Ich bin Selbst-Ausdruck von Selbst-Bewusstsein.“
Was die Sonne sagt, könnte jetzt in zwei Varianten weiter gehen.
Die erste Variante ist etwas ego-zentrisch. Doch wenn es um das eigene Leben geht, nicht um das Leben der anderen, ist diese Perspektive ja durchaus berechtigt. Die Sonne könnte sagen:
„Um mich herum, da gibt es andere Gebilde, die sich Planeten nennen. Wie ich gehört habe, haben die auch bestimmte Namen. Der eine heißt Saturn, ein anderer Venus. Ach ja, da gibt es auch einen, der sich für was Besonderes hält – der heißt Erde. Für diese Körper um mich herum scheint, das, was ich bin und ausdrücke, wichtig zu sein, anscheinend besonders für diese Erde. Es wäre nicht gut für sie, wenn sie zu meinem Licht und meiner Wärme eine ablehnende Haltung einnehmen würden. Doch für mich ist es völlig gleichgültig, wie sie zu mir stehen. Ich bin einfach, was ich bin, und drücke einfach aus, was ich bin, unabhängig davon, ob sie mich lieben oder hassen, wichtig nehmen oder nicht.“
In einer nicht-ego-zentrischen Variante könnte die Sonne sagen:
„Ich bin eine Sonne. Und um mich herum sind auch Sonnen. Es gibt größere Sonnen, ältere Sonnen. Es gibt kleinere Sonnen, jüngere Sonnen. Doch alle sind Sonnen, verwandt und ähnlich. Alle sind Brüder und Schwestern. Ich bin eine Sonne unter Sonnen.
Alle Sonnen haben dieselbe Substanz: Licht und Wärme.
Wenn eine andere Sonne Licht und Wärme zu mir schickt, trifft sie auf dasselbe: Licht und Wärme.
Und wenn ich Licht und Wärme zu einer anderen Sonne schicke, treffe ich auf dasselbe: Licht und Wärme.
Wenn eine andere Sonne mit mir gemeinsam in die gleiche Richtung strahlt, bündeln und erweitern wir die eigene Strahlkraft. Wir strahlen zusammen stärker als jede für sich alleine.“
Nun sind wir leider keine Sonne. Eine Sonne ist ein für irdische Maßstäbe fast unerschöpfliches Reservoir an Energie. Die Sonne kann beliebig viel in die Umgebung geben; sie verausgabt sich dadurch nicht. Wenn wir aber nur nach außen abgeben, geben wir uns auf. Wir müssen auch nehmen, uns irgendwann wieder auffüllen, aus der Umgebung schöpfen.
Stellen Sie sich daher als notwendige Ergänzung noch mal die mittlere Zeichnung vor, den großen Kreis in der Mitte mit den Strahlen nach außen. Und denken Sie sich jetzt einmal, das sei eine Riesenkrake mit Fangarmen. Diese Riesenkrake hat die ganz selbstverständliche Haltung: Alles hier um mich herum gehört mir. Und wenn die Riesenkrake etwas sieht, was sie gebrauchen kann, greift sie mit ihren Fangarmen danach und holt es sich.
Wir müssen beides sein - gebende Sonne und nehmende Riesenkrake.
Ich habe deshalb das, was ich gezeichnet habe, „Sonnenkrake“ genannt.
Nun, was ist denn eine „Sonnenkrake“?
Es ist ein Wesen, das in ihren eigenen Kräften lebt, gebend und nehmend. Es ist ein Wesen, das mit diesen eigenen Kräften die Welt gestaltet. Mit ihren Händen anderen gibt, was sie brauchen, was sie ihnen schenken will; mit ihren Händen sich selbst das holt, was sie braucht. Als Sonne lebt sie von sich weg auf andere zu. Als Krake lebt sie von sich weg und wieder auf sich zu. Aber in beiden Fällen lebt sie in der Haltung, die sie selbst zu Anderen einnimmt. Welche Haltung andere zu ihr einnehmen, ist für sie unwichtig. Sie kümmert sich nicht um die Hände der Anderen. Sie wartet nicht darauf, dass Andere ihr die Hand entgegenstrecken. Sie streckt als erster ihre Hand aus und zieht sie auch nicht sofort zurück, wenn sie von dem Anderen nicht ergriffen wird. Sie wartet nicht darauf, dass andere Hände ihr etwas geben. Sie greift mit ihren eigenen Händen selbst danach.
Leben Sie als Sonnenkrake – meistens als Sonne, manchmal auch als Krake!
Leben Sie in Ihren eigenen Füßen, nicht in den Füßen der Anderen!
Gehen Sie auf Andere zu!
Warten Sie nicht darauf, dass andere auf Sie zugehen!
Leben Sie in ihrem eigenen Mund, nicht im Mund der Anderen!
Nehmen Sie wichtig, was Sie zu ihnen sagen, was Sie über sie sagen!
Nehmen Sie nicht wichtig, was Andere zu Ihnen sagen, was Andere über Sie sagen!
Das ist unbedeutend.
Leben Sie in Ihrem eigenen „Gehirn“, nicht im „Gehirn“ der Anderen!
Nehmen Sie wichtig, was Sie über die Anderen denken!
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Denken von Annehmen und Ernst-Nehmen der Anderen, Interesse und Fürsorge bestimmt ist!