Wir gehen mit unserem Leben einen Weg durch die Zeit -
alleine und doch gemeinsam,
getrennt von Anderen und doch mit Anderen.
„Es gibt auf der Welt einen einzigen Weg,
welchen niemand gehen kann außer dir.
Frage nicht, wohin er führt!
Geh ihn!“
Irgendwann, irgendwo habe ich mal diesen Spruch von Friedrich Nietzsche gelesen. Und war sofort von ihm beeindruckt. Er schmeckte nach mutiger Freiheit und entschlossener Verantwortung für das eigene Leben. Und doch spürte ich sofort, dass er einseitig war, dass ihm etwas fehlte. Er schmeckte auch nach schmerzvoller Getrenntheit und unglücklicher Einsamkeit. Und ich suchte nach ergänzenden Worten, die den Nietzsche- Spruch vollständig machen würden. Irgendwann habe ich als Antwort auf mein suchendes Fragen folgende Worte gefunden:
Mein Weg - nach, mit und vor Anderen
Ich gehe den Weg,
den nur ich gehen kann,
weil nur ich zu dieser Zeit an diesem Ort stehe.
Doch ich gehe den Weg nicht allein.
Es gibt andere,
die vor mir gehen,
die mir den Weg bahnen und ebnen.
Und es gibt andere,
die neben mir gehen,
die mit mir gehen.
Und es gibt andere,
die nach mir kommen,
denen ich den Weg bahne und ebne.
Ich gehe den Weg,
den nur ich gehen kann -
nach, mit und vor Anderen.
Ich gehe den Weg nicht allein.
Und immer bin ich auch allein auf meinem Weg,
weil nur ich zu dieser Zeit an diesem Ort stehe.
(Rudolfo Kithera, Weg und Nicht-Weg, Teil I, S. 33)
Wie können wir uns selbst verwirklichen,
als einmalige Person, die ihr eigenes Leben bewusst selbst wollend,
mit Eigen-willen wählend selbst bestimmt,
in Beziehung zu anderen einzigartigen Personen?
Wie können wir verbunden sein,
ohne unnötig gebunden und verstrickt zu sein?
In dieser Frage drückt sich eine grundlegende Spannung aus, die nicht grundsätzlich, dauerhaft und endgültig aufgelöst werden kann, sondern immer nur vorübergehend, für eine bestimmte Zeit; für die es kein Patentrezept gibt, sondern für die immer wieder in jeder Situation neu eine Lösung gefunden werden muss.
Es gibt von Schopenhauer die bekannte Parabel von den Stachelschweinen:
Die Stachelschweine haben ein schwer-wiegendes Problem miteinander: Wenn die Stachelschweine sich zu nahe sind, dann stechen sie sich mit ihren Stacheln. Also gehen sie weiter auseinander, nehmen mehr Abstand voneinander. Dann aber frieren die Stachelschweine. Also kommen sie wieder näher zusammen. Dann stechen sie sich aber wieder mit ihren Stacheln. Wie es weitergeht, muss ich dir, lieber Leser, wohl nicht sagen.
All - eine
Wenn ich all-eine bin,
bin ich als eine(r) alles.
Es ist kein Anderer da.
Keiner, der mich be-drohen kann,
keiner, der mich be-schützen kann,
keiner, der mir Leid zufügen kann,
keiner, der Mit-leid mit mir haben kann,
keiner, der mich warnen kann,
keiner, der mich in eine Falle locken kann,
keiner, der mir weh tun kann,
keiner, der mir gut tun kann,
keiner, der mich umwerfen kann,
keiner, der mich aufheben kann,
keiner, der mich bis zur Ecke bringen kann,
keiner, der mich um die Ecke bringen kann,
keiner, der mich belasten kann,
keiner, der mich stützen kann,
keiner, der mich führen kann,
keiner, der mich ver-führen kann,
keiner, der mich tragen kann,
keiner, der mich fallen lassen kann,
keiner, der mich treten kann,
keiner, der mich ver-treten kann,
keiner, der auf mich wartet,
keiner, der etwas von mir er-wartet,
keiner, der mich fördert,
keiner, der etwas fordert,
keiner, bei dem ich klagen kann,
keiner, der mich an-klagen kann,
keiner, der mir was berichten kann,
keiner, der über mich richten kann,
keiner, dem ich etwas sagen kann,
keiner, der mir was unter-sagen kann,
keiner, der mir raten kann,
keiner, der mich ver-raten kann,
keiner, der mich hören kann,
keiner, der mich ver-hören kann,
keiner, der mir etwas an-bieten kann,
keiner, der mir etwas ver-bieten kann,
keiner, an den ich Fragen stellen kann,
keiner, der mich in Frage stellen kann,
keiner, auf den ich mich verlassen kann,
keiner, der mich verlassen kann,
keiner, mit dem ich lachen kann,
keiner, der über mich lachen kann,
keiner, mit dem ich spielen kann,
keiner, der mit mir spielen kann,
keiner, der mir zulächeln kann,
keiner, der mich be-lächeln kann,
Wenn ich all-eine bin,
bin ich als eine(r) alles.
Kein Anderer ist da.
(Rudolfo Kithera, Weg und Nicht-Weg, Teil I, S. 163)
Das ist die Licht- und Schattenseite des Dilemmas, mit dem die Stachelschweine leben müssen.
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