Fluch der Flucht
Nun, unsere Antwort auf das Winterwetter,
die war ja in den letzten Jahren:
Wir hauen ab auf die Kanaren, die "Inseln der Glückseligen".
Wir flüchten in den ewigen Frühling.
Wir fliegen nach La Palma, La Gomera.
Wir flüchten vor der Kälte und der Nässe.
Doch für die Menschen, die auf ihnen lebten, waren die Kanaren
nicht immer Inseln der Glückseligen.
Auf ihnen lag auch oft ein Fluch: der Fluch der Flucht.
Wir wollen flüchten.
Sie mussten flüchten.
Flüchten wollen ist nicht flüchten müssen.
Die Flucht, die ist kein Flug.
Sie ist ein Fluch.
Was ist denn nun der Fluch der Flucht für die Canarios?
Als erstes: schon wie sie auf die Inseln kamen.
Über die Herkunft der Urkanarier gibt es ganz verschiedene Theorien.
Eine davon ist: sie mussten flüchten - aus Marokko;
als Stämme, die nur mit Waffen aus behauenen Steinen kämpfen konnten,
vor anderen Stämmen, die schon wussten, wie man aus Bronze Schwerter schmiedet.
Um schlicht zu überleben, wagten sie die Überfahrt in Booten, die eigentlich nicht hochseetauglich waren.
Verfolgt von Völkern
die schon das Eisen kannten
und daraus scharfe Schwerter schmieden konnten,
bestiegen sie die Boote,
bedrohlich in den Wellen schwankend,
zur Flucht auf unbewohnte Inseln.
Es kamen andere Völker.
Die schossen mit Gewehren.
Und diesmal gab es keine Flucht,
nur Unterwerfung, Tod im aussichtslosen Kampf
und Sklaverei.
Und später zwangen Not und Elend
aus Dürren, Ernten, die sie nicht ernährten,
zur Flucht nach Kuba.
Einige kehrten zurück aus Lateinamerika,
wo die Not noch größer war.
Und die Zurückgekehrten mussten nun
vor dem Vulkan flüchten.
Zu ihnen flüchten jetzt Fischer aus Senegal.
Wir buchen einen Flug nach La Gomera, La Palma, Lanzarote
Wir flüchten vor der Kälte.
Wie trivial, wie lächerlich banal!
Publiziert am: Sonntag, 31. März 2024 (10 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera
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