Es sprach das Universum

 

 

Es sprach das Universum

zu mir in dieser Nacht:

 

 

"Schreib' nicht mehr Eigenes, doch lass

durch deine Hand mich schreiben!

Lass zu, dass meine Worte fallen ein in dich!

Mein Werkzeug sollst du selbstlos bleiben.

 

 

Schreib' einfach die paar Worte auf,

die ich geb in dich ein!

Such' dann nicht selbst! Vertrau auf mich!

Ich bin ja da. Ich lass' dich nicht allein.

 

 

Wenn du nichts fertig schreiben willst,

dann störst du auch durch Schreiben

nicht das, was dir so wichtig ist:

Du kannst im Schweigen bleiben."



Kommentar:

 

 

Erschaffen will ich absichtslos

Bedeutung - sich ergebend aus

bedeutungslosen Jetzten.

 

Ich will, dass einfach finden

mich Worte, die sich fügen

von selbst bedeutungsvoll.

 

 

 

 

 

Die mindestens hochbegabte, jedenfalls weltbekannte "Schreiberin" Elif Shafak

legt dem begnadeten "Schreiber" Rumi

folgende Worte über sein Schreiben in den Mund (oder in die federführende Hand):

 

"Vor Kurzem sagte Kira (Rumis Frau), ich würde - fast wider Willen - zum Dichter.

Obwohl ich nie viel von den Dichtern hielt, erstaunten mich ihre Worte nicht.

Zu jeder anderen Zeit hätte ich wohl widersprochen, nun tat ich es nicht.

Ohne Unterlass und wie von selbst strömen die Gedichte aus meinem Mund,

und wer sie hört, könnte meinen, ich würde tatsächlich zum Dichter: Der Sultan der Sprache.

Doch in Wahrheit, glaube ich, gehören diese Gedichte nicht mir.

Ich bin nur der Mittler für die Buchstaben, die mir in den Mund gelegt werden.

Wie eine Feder, die die vorgegebenen Worte schreibt,

oder die Flöte, die die Töne spielt, die man in sie hineinbläst,

erfülle auch ich nur meine Aufgabe.

....

In der freien wie in der gebundenen Rede erscheinen mir die Worte scharenweise und verschwinden dann wieder so unvermittelt wie die Zugvögel.

Ich bin nicht mehr als die Wasserstelle, an der sie auf ihrem Weg in wärmere Länder eine Weile bleiben und rasten.

Bevor ich mit einem Gedicht beginne, weiß ich nie, was ich sagen werde.

Es kann lang werden oder kurz. Ich plane es nicht.

Und wenn das Gedicht fertig ist, bin ich wieder still. Ich lebe im Schweigen.

Und ,Schweigen´, Khamush, ist einer der beiden Namen, die ich anstelle meines eigenen ans Ende meiner Ghaselen setze."

 

(aus "Die vierzig Geheimnisse der Liebe")

Publiziert am: Freitag, 10. November 2023 (75 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

Druckbare Version

[ Zurück ]

Impressum Datenschutz Kontakt

Alle Logos und Warenzeichen auf dieser Seite sind Eigentum der jeweiligen Besitzer und Lizenzhalter. Im übrigen gilt Haftungsausschluss.