Eltern und Kinder



Das „Männliche“ führt, das „Weibliche“  folgt.

 

Und die, die führt, dient dem, der folgt.

Und die, die folgt, traut dem, der führt.

Und der, der folgt, traut der, die führt.

Und der, der führt, dient der, die folgt.

 

Und die, die führt, sollte zurück seh’n,

ob der, der folgen will, auch folgen kann.

Und die, die folgt, sollte gut prüfen,

ob sie dem Führer trauen kann und will.

 

 

 

Wer führt, der dient.

Wer folgt, der traut.

Dann sind der Himmel und die Erde

-  an ihrem rechten Platz -

im Einklang miteinander.

 

 

Mann und Frau,

sie können beide führen, beide folgen.

Das Leben ist kein Tango Argentino.

 

 

Doch Eltern können nicht den Kindern folgen, ihnen trau’n.

Sie können sie nur führen, sollten ihnen dienen.
 

Die Kinder können nicht die Eltern führen,

Sie sollten ihnen auch nicht dienen.

Sie können nur den Eltern folgen, ihnen trau’n.
 

Wenn Kinder führen, Eltern folgen,

wenn Eltern trauen, Kinder dienen,

dann ist die Erde falscher Himmel,

dann ist der Himmel falsche Erde.

Dann gibt es keinen Einklang mehr

zwischen dem Himmel und der Erde.

 

 

 

PS:

Und was für Kind und Eltern gilt,

das gilt natürlich auch genauso

für Arzt und Patient,

Hirte und Schaf,

Lehrer und Schüler.




 

 

Kommentar:
 

Wen ich fragen würde

 

Ich bin meinen Eltern sehr dankbar dafür, dass sie mich nie gefragt haben:

„Was sollen wir tun?“

 

Und ich selbst käme nie auf die Idee, einen meiner Söhne das zu fragen.

Natürlich frage ich meinen jüngeren Sohn, wenn ich ein Computerproblem habe, weil der sich in diesem besonderen Lebensbereich einfach viel besser auskennt. Doch ich würde ihn nie fragen, wenn es um etwas geht, was für mein Leben insgesamt wesentlich ist,  z. B. darum, welche grundsätzliche Richtung ich in meinem Leben einschlagen will.

 

Wenn es darum geht, wie ich leben will, würde ich als erstes die „Großen“ fragen - Buddha, Christus, Krishna -, würde fragen, was sie dazu gesagt haben.

 

Dann würde ich mich selber fragen. Und wenn meine eigene Antwort von der der „Großen“ abwiche, dann würde ich meiner eigenen Antwort folgen. Denn bei aller Weitsicht, die die großen (nach Karl Jaspers „maßgebenden“)  Menschen haben, hat ihre Antwort doch einen schwer wiegenden Nachteil: Sie kennen nicht meine persönliche, einmalige Situation. Den Ort, an dem ich im Leben stehe, den kenne nur ich.

 

Als nächstes würde ich, wenn sie noch lebten, manchmal vielleicht meine Eltern fragen, wegen ihrer größeren Lebenserfahrung.

 

Oder nahe Freunde, die mich gut kennen.

 

Und ganz zuletzt, wenn keiner sonst eine Antwort wüsste, bevor ich völlig ratlos und verzweifelt wäre, vielleicht auch einen meiner Söhne.








 

Es gibt ein klares Grundprinzip für das Zusammenleben der Generationen:
Verantwortung, Geben fließt immer von den Älteren zu den Jüngeren, von den Eltern zu den Kindern, auch von älteren Geschwistern zu den jüngeren, so wie Wasser immer vom Berg ins Tal fließt, von der Quelle zum Meer.

Daraus ergeben sich zwei grundsätzliche Spielregeln für die Älteren und die Jüngeren:

Eltern dürfen ihren Kindern alles anbieten, geben wollen, auch ungefragt.
Und Kinder dürfen sich von dem, was die Eltern anbieten, heraus-nehmen, was sie brauchen können, und das, was sie nicht brauchen können, einfach liegen lassen, ohne sich weiter darum zu kümmern.

Die Eltern müssen dabei zweierlei lernen:
Erstens zu akzeptieren, dass die Kinder nicht alles an-nehmen, was sie geben wollen;
und zweitens, dass sie von den Kindern nichts nehmen können, dass sie ihnen nur etwas geben können;
dass sie von den Kindern für das, was sie geben, nichts zurück bekommen können; und dass sie auch gar nicht darauf warten, etwas zurück zu bekommen, es nicht erwarten und fordern.

 



 

Von den Kindern

Eine Frau, die einen Säugling an ihrer Brust hielt, bat:

"Sprich zu uns von den Kindern!"

Und er sagte: "Eure Kinder sind nicht eure Kinder!

Sie sind Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach Erfüllung.

Ihr Leben kommt durch euch, aber nicht von euch,

und wenngleich sie bei euch sind, gehören sie euch nicht.

Ihr könnt ihnen eure Liebe schenken, doch nicht eure Gedanken;

denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Ihr könnt ihre Körper beherbergen, aber nicht ihre Seelen,

denn ihre Seelen wohnen in den Häusern von morgen,

die ihr nicht betreten könnt, nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft versuchen, ihnen zu gleichen;

doch trachtet nicht danach, sie euch anzugleichen;

denn das Leben läuft nicht rückwärts

und hält sich nicht mit dem Gestern auf.

Ihr seid der Bogen,

von denen eure Kinder als lebendige Pfeile ausgesandt werden.

Der Schütze sieht das Ziel auf der Bahn der Unendlichkeit;

er spannt euch in seiner Macht

damit seine Pfeile umso schneller und weiter fliegen.

Biegt euch freudig in der Hand des Schützen

denn ebenso wie er den fliegenden Pfeil liebt,

so liebt er auch den Bogen, der standhält."

(Kahlil Gibran, Der Prophet)

 

 

 

 


Der goldene Ball
 


Was auch an Liebe mir vom Vater ward,
ich hab ’s ihm nicht vergolten, denn ich habe
als Kind noch nicht erkannt den Wert der Gabe
und ward als Mann dem Manne gleich und hart.

 

Nun wächst ein Sohn mir auf, so heißgeliebt
wie keiner, dran ein Vaterherz gehangen,
und ich vergelte, was ich einst empfangen,
an dem, der mir ´s nicht gab - noch wiedergibt.


Denn wenn er Mann ist und wie Männer denkt,
wird er wie ich die eigenen Wege gehen.
Sehnsüchtig werde ich, doch neidlos, sehen,
wenn er, was mir gebührt, dem Enkel schenkt.

 

Weithin im Saal der Zeiten sieht mein Blick
dem Spiel des Lebens zu, gefasst und heiter.
Den goldenen Ball wirft jeder lächelnd weiter -
und keiner gab den goldenen Ball zurück.

( Börries von Münchhausen)


 


Die Kinder müssen erstens lernen, zu akzeptieren,

dass die Eltern ihnen etwas geben wollen, auch unerbeten und unerfragt;

dass sie sich nicht verpflichtet fühlen, alles anzunehmen,

auch wenn die Eltern es von ihnen erwarten und gekränkt sind,

wenn sie etwas als unbrauchbar liegen lassen.

Und zweitens, dass sie den Eltern nichts geben können

und dazu auch gar nicht auf der Welt sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Publiziert am: Dienstag, 15. März 2016 (976 mal gelesen)
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