Ergreifen und stehen lassen


 

Es gibt Menschen,

die mischen sich zu oft in etwas ein,

auch da, wo es sie überhaupt nichts angeht,

auch da, wo niemand will, dass sie was tun.

Und es gibt andere,

die halten sich zu häufig einfach raus,

auch da, wo sie durchaus eingreifen sollten,

sie - selbst betroffen - dazu eingeladen sind.


 

Unganz sind beide, müssen etwas lernen,

genau das, was der andere schon kann,

schon viel zu gut kann, viel zu gerne tut:

der eine,

etwas gelassen steh'n zu lassen;

der andere,

es mit Starkmut zu ergreifen.


 

Es gibt Menschen,

die sagen viel zu oft was,

auch dann, wenn niemand sie gefragt hat,

auch da, wo ihre Worte gar nicht  passen.

Und es gibt Andere,

die halten viel zu oft den Mund,

auch da, wo ihre Worte hilfreich wären,

das Rätsel lösen würden, das sich stellt.

 

 

Auch diese beiden müssen etwas lernen,

um voll und ganz zu sein, was man als Mensch sein kann -

vielleicht auch gerade von dem Anderen,

der das, was man zu wenig hat, zu viel hat.

Dem einen tät' es gut,

sich manchmal zurückzuhalten,

sich nicht immer aufzudrängen;

dem Anderen,

sich wichtig genug zu nehmen,

sich das Recht zu nehmen,

zu sagen, was er selbst für richtig hält.


 

Wenn du einer von denen bist,

die viel zu oft im Schutz des Schweigens bleiben,

dann werfe einem Anderen doch nicht vor,

dass er die Lücke ausfüllt, die du lässt!

Nicht er nimmt dir was weg, behindert dich.

Das tust du selbst, das tust du selbst dir an.

Du könntest ja durchaus auch etwas sagen,

du müsstest nur so mutig sein wie er.


 

Wenn du einer von denen bist,

die viel zu oft was sagen,

verachte den nicht, der zu oft nichts sagt,

als jemanden, der dir nichts sagt,

auch nichts zu sagen hat,

als feigen Schwächling, der nicht klar macht,

wo er denn steht, dass er zu dir steht, wie er zu dir steht!

Du machst es ihm nicht leicht, etwas zu sagen.

Und du hast deinen freien Raum nur dadurch,

dass er ihn dir nicht streitig macht,

ihn dir vielleicht großzügig überlässt.

Er sieht die Grenzen, die du oft missachtest,

er fährt nicht über rote Ampeln so wie du,

steigt nicht frech über Mauern, Hecken, Zäune.


 

Des Anderen Fehler, seine Mängel, seine Schwächen,

sie haben doch nicht mehr Gewicht als deine,

als das, was ja auch dir am vollen Mensch-Sein fehlt.

Weil deine Fehler anders sind, sind sie nicht besser.

Und seine Fehler sind nur anders, sind nicht schlechter.


 

Bekämpfe nicht den Anderen, weil er anders ist!

Bekämpf' ihn nicht, weil er was anders macht!

Bekämpf' ihn nicht, weil er was anderes macht!

Nutze einfach sein Anders-Sein für dich!

Er hat dort eine Stärke, wo du schwach bist.

Und wo er schwach ist, hast du eine Stärke.

Gemeinsam habt ihr Stärken, keine Schwächen.


 

Ihr seid doch beide auf dem Weg zum selben Ziel:

als ganzer Mensch zu leben, frei von allen Mängeln.

Auf diesem Weg kann jeder jedem helfen,

weil er schon hat, was noch dem Anderen fehlt.

Der Weg zum vollen Mensch-Sein ist kein Wettlauf,

den man gewinnt, indem ein Anderer ihn verliert.

Wenn man dem Anderen hilft, hilft man sich selber.

Denn alle kommen nur gemeinsam an das Ziel.

 

 


 

 

Publiziert am: Donnerstag, 24. November 2016 (1056 mal gelesen)
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