Auf dem Weg zur Drei

 


 

Weil ich die Zwei verließ, fand ich die Eins.

An ihrem Hofe diente ich als Gärtner ihr.

Das Brot, es war durchtränkt von süßem Wein,

und ewige Rosen blühten jetzt und hier.


 

Dann hörte ich von ihr, der Drei, der Kaiserin,

der Herrscherin auch über Eins und Zwei.

Zu ihr zu kommen war sofort mein Ziel.

Mein Ruh'n im Glück, es war sofort vorbei.


 

Ich konnte bei der Eins nicht länger bleiben,

die mich doch liebte, treu in Ewigkeit.

Mein eitler Wahn zwang mich, sie zu verlassen,

die nicht mehr war die höchste Wirklichkeit.


 

Der Weg zur Drei führt durch das Land der Zwei.

In seine Zweifel wollt' ich nie mehr wiederkehren.

Mein neues Ziel jedoch, es ließ mir keine Wahl.

Ich musste notgedrungen es noch mal durchqueren.


 

Die Eins ließ mich nur ungern weiter zieh'n.

Für sie gibt es ja nur ihr eigenes Land.

Das Reich der Zwei kann sie gar nicht begreifen,

wo niemand je auf Dauer Frieden fand.


 

So ging ich fort von der, bei der ich glücklich war.

Ich glaubte fest: ich werd' sie nie vergessen.

Für den, der einmal Götterspeise aß,

sei nicht verlockend jedes andere Essen.


 

Doch ist der Durchgang durch die Zwei mir nicht bekommen.

In Erdenschwere trübt sich schnell das Himmelslicht.

Das Bild der Eins, es wurde immer blasser.

Wo alles Zwist ist, prägt die Zwei die Sicht.


 

So habe ich mein früheres Glück verloren.

werd' nicht mehr selig von der Huld der Eins getragen.

Kann ich im Land des Kampfes doch noch Frieden finden?

Darf ich das immer noch zu hoffen wagen?


 

Doch wenn ich wirklich ehrlich zu mir bin,

muss ich am Ende doch gesteh'n, beklommen,

dass ich gescheitert bin in meiner Suche.

Im Reich der Drei bin ich nie angekommen.




Verloren unstet irre ich

entwurzelt-heimatlos

herum im Niemandsland,

dem Nebel-Zwischenreich,

der Halbwelt blasser Schatten -

weder zur Eins noch zu der Zwei gehörig,

anstatt sowohl als auch im Land der Drei.

 



 

Ich bin nicht "Sorbas der Buddha" geworden, Oshos Idealmensch:

lebensbejahend-tatkräftig wie Alexis Sorbas und friedvoll-still wie Gautama Buddha -

in der schweigenden Wüstenleere genauso heimisch wie im Lärm des übervollen Marktes -

auch gebunden in Begrenztes unbegrenzt frei -

über-persönliches Licht und persönliche Wärme -

ein Weiser der Lebensfreude.


 

Ich war auch früher kein Buddha, doch so buddha-nah, dass vom Erleuchteten ein Abglanz seiner Strahlen auch auf mich fiel.

Als ich mich von ihm entfernte, um mehr als Sorbas-Feuer zu brennen und zu lodern,

als ich auf dem Weg zurück durch das Kriegsgebiet der Zwei als Person und Persönlichkeit erstarkte,

verdunkelte sich das Buddha-Licht; seitdem leuchtet das Über-Persönliche in mir schwächer, trüber und blasser.

Und für diesen Verlust hab' ich nicht viel gewonnen.

Ein Sorbas bin ich nicht geworden.


 

Das Zusammenfügen der halben Wirklichkeiten zum Ganzen,

das natürliche Schwingen zwischen den Polen, das Mitnehmen der einen Seite zur anderen, ist mir nicht gelungen.

Ich lebe jetzt halb in beiden Hälften, zu keiner ganz gehörig.


 

Nun, das ist die halbe Wahrheit.

Ich bin im Land der Drei nicht zu Hause, nicht so, wie ich es im Land der Eins war und im Land der Zwei.

Ich lebe dort nicht, habe dort keine Bleibe.


 

Die andere Hälfte ist:

Ich konnte wenigstens mal einige Blicke in das neue Land werfen,

konnte es manchmal sogar mit den Füßen betreten und einige Schritte darin machen.

Von dieser anderen Hälfte sprechen die folgenden Texte.




 

PS.

Ich will dich, liebe Leserin, nicht entmutigen, selbst den Weg ins Land der Drei zu geh'n.

Vielleicht bist du ja für den großen Spagat besser geeignet und gerüstet,

mit Beinen, die gelenkiger und kräftiger sind als meine.

Und vielleicht wählst du deinen Weg ja klüger und geschickter als ich.


 

Und wer weiß, auch mein Weg ist ja noch nicht zu Ende.

Ich  kann ja wieder zurück zur Eins, die immer noch - alles vergebend, weil es nie geschehen ist - auf mein Wiederkommen wartet.

Vielleicht kann ich ja hier im Land der Zwei das verblasste Bild der Eins wieder auffrischen.

Und vielleicht gelingt es mir ja doch noch, im Land der Drei heimisch zu werden.

 

 

 

Publiziert am: Freitag, 02. September 2022 (342 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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