Ein guter Tag zum Sterben



Ich denke wie die alten Indianer:
„Heute ist doch ein guter Tag zum Sterben.“
Nicht, weil ich Gold und Silber in den Händen halte,
sondern weil nichts mehr vor den Händen liegt,
wonach zu greifen sich noch scheinbar lohnt.


Die Götzen, die es gab, sind alle fort, endlich gestorben -
nicht mit Gewalt vertrieben und im Kampf getötet,
sondern gelangweilt freiwillig gegangen,
verhungert und verdurstet eingeschlafen,
weil ich sie nicht mehr durch Beachtung an mich band,
sie zwar noch wahr-, jedoch nicht länger ernst nahm,
nicht mehr durch Wichtigkeit ernährte und am Leben hielt.
Bestimmt wird es mal wieder neue geben,
vielleicht schon bald; es gibt so viele Götzen.
Doch heute ist kein einziger mehr da,
kein einziger, der lügt: „Ich wende Not.“


Nichts trübt daher mein Glück, stört meinen Frieden;
kein Traum, der mich verführt, kein Ziel, das täuschend lockt,
auch keine Frage, die auf Antwort drängt.
Ich blick´ auf nichts, was offen bleibt, zurück,
nichts, was noch wartet darauf, dass ich es gestalte,
niemand, der wartet darauf, dass ich etwas sage.


So gut wie heute wird kein Tag mehr werden.
Von nun an kann es nur noch abwärts geh’n.
Der Strom der Zeit, er sollte nicht mehr weiterfließen,
zum sel’gen Glück des ewigen Augenblicks gerinnen,
das, was jetzt da ist, so erstarren, wie es ist.
Die Uhren müssten heute einfach stehen bleiben,
das Rad der Stunden dürfte sich nicht weiterdreh’n.
Wäre das möglich, es wär wunderschön.







Kommentar:

"Sollte", "müsste", "dürfte nicht" und "wäre" -

das, was sein "könnte", das ist nicht genug.

Nur das, was wirklich da ist, gibt tatsächlich Frieden.

Warum bleibt denn die Uhr nicht wirklich steh'n?

Muss ich erst sterben, um im ewigen Glück zu leben?

Kann ich denn nicht schon jetzt in seliger Freude bleiben,

im Diesseits hier, nicht erst im Jenseits dort?

Ich kann - doch nur, wenn ich dazu bereit bin,

mein Leben zu beenden, mich jetzt selbst zu töten,

bevor ich später irgendwann als Körper sterbe.

Ich kann nur dann Wege im Nicht-Weg enden,

den Fluss der Zeit in Nicht-Zeit sterben lassen,

wenn ich auch mich ins Nicht-Ich sterben lasse.

Dann kann ich auf dem Weg geh'n ohne mich,

auch gehend auf dem Nicht-Weg stehen bleiben.

Erst dann, wenn ich ab jetzt als Nicht-Ich bin,

kann ich schon in der Zeit in Nicht-Zeit leben,

jenseits der Zeit im Glück des Jetzt verweilen,

auch wenn ich weiterschreite in der Zeit.

Doch wenn ich weiter leben will mit mir,

wenn ich mich weiter leben lassen will,

dann wird aus Nicht-Zeit zwingend wieder Zeit,

und aus dem Nicht-Weg müssen wieder Wege werden.

Dann kann das Glück nicht mehr für immer bleiben,

dann wechselt wieder Leiden ab mit Freude,

verwandelt wieder Freude sich in Leid.




Solange ich noch glaube, sobald ich wieder meine, dass ich ein von Anderen abgetrenntes Einzelwesen bin, das einen Weg durch die Zeit geht, eine Vergangenheit und eine Zukunft hat, ein gutes oder schlechtes Gewissen, Ängste und Wünsche, zieht mich das Festhalten an diesem Glauben wieder aus dem Glück des ewigen Augenblicks heraus, lässt mich nicht länger in ihm bleiben.


 

Wenn das Ego geboren wird,

stirbt das ewige Leben.

Wenn das Ego stirbt,

wird das ewige Leben geboren.



Das Ego ist der Tod.

Das Ego erfindet sich.

Das Ego erfindet sich Getrennt-Sein im Raum.

Das Ego erfindet sich die Zeit.

Doch, was das Ego erfindet,

sind alles nur Lügen:

Es gibt kein Getrennt-Sein im Raum.

Es gibt keine Zeit.

Dann gibt es auch nicht - den Tod.

Es gibt nur ewiges Leben.


 

Publiziert am: Montag, 09. März 2020 (938 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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