Das Sabbat-Experiment

 

Aber entschuldigen Sie, ich habe nicht daran gedacht, dass Sie ja gar nicht wissen können, was das Sabbatexperiment ist: Das Sabbatexperiment, das war die Frage: Ist es möglich, an allen Tagen so zu leben wie am Sabbat? Ist es möglich, gar nicht mehr zu handeln? Ist es möglich, nur in dem passiv beobachtenden Ich zu leben, nicht auch in dem Ich, das das Handeln steuert?

 

 

Dass das nicht möglich ist, hätte ihm eigentlich schon der „gesunde Menschenverstand" sagen können.

 

Oder er hätte durch sein Lieblingsbuch, die Bhagavad-Gita, genug gewarnt sein können:

 

„Even the survival of your body would not be possible without action.

Sogar das Überleben deines Körpers wäre nicht möglich ohne Handeln.“

(Bhagavad-Gita III, 8)

 

Oder durch einen seiner Lieblingsautoren, Hermann Hesse, der ja auch im "Glasperlenspiel" schreibt:

"Wir sollten nicht aus der Vita activa in die Vita contemplativa fliehen, noch umgekehrt,

sondern zwischen beiden wechselnd unterwegs sein,

in beiden zu Hause sein, an beiden Teil haben."

 

Doch Hartmut ließ sich von dem Ideal, ein von den Zwängen des Handelns freies Leben zu führen, nicht abbringen.

Er folgte der Maxime: „Das Mögliche wird nur erreicht, wenn das Unmögliche immer wieder versucht wird.“ -

und der Überzeugung: "Die Welt gehört den Radikalen."

 

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er eine Selbsteinschätzung Dalis auf sich übertragen können, die er ja mal als Zitat seinen "Verrückt"-Texten vorangestellt hat:

"Der einzige Unterschied zwischen einem Verrückten und mir besteht darin, dass ich nicht verrückt bin."

Dass Hartmut nicht verrückt war, dass er immer noch wusste, was Mitte war, zeigte sich darin, dass er weiterhin anderen Mitte vermitteln konnte.

Nicht sein Wissen, sein Leben hatte er aus der Mitte gerückt, gewöhnte sich an diese Verschiebung zu einer Seite und wollte sich lange Zeit nicht zurück rücken.
 

 

Dabei übersah er jedoch, dass er durch den Verzicht auf das Handeln wesentliche Kräfte seines Geistes vernachlässigte, wichtige Ich-Kräfte nicht mehr pflegte und durch Nicht-Gebrauch verkümmern ließ.

Auch sein Ich - nicht nur sein Ego - lebte doch im Denken, Fragen, Unterscheiden und Entscheiden.

Was er sich fragte, für was er sich entschied, war unbedeutend.

Wichtig war, dass er sich fragte, dass er sich entschied.

 

Er sah, dass das eigen-willige Handeln des Egos den Einklang des Universums durch einen schrillen Missklang stört.

Er übersah dabei, dass das selbst-lose Handeln des Ichs ergänzend und bereichernd sich einfügt in die Symphonie des Kosmos, sie durch eine neue Stimme, neue Töne erweitert.

 

Er sah im Nicht-Handeln die einzige Möglichkeit, in der Gegenwart zu bleiben, sich nicht in der Zeit zu verlieren.

Er übersah dabei, dass es nicht darum geht, die Zeit auf die Gegenwart zu reduzieren, auch nicht darum, sich in der Gegenwart zu zentrieren.

Er sah nicht, dass es letztlich darum geht, sich im Raum zu dezentrieren - die Trennung im Raum zu überwinden,

mit Anderen und Gott eins zu werden, im Einklang mit ihnen auch zu handeln.

 

Letztlich geht es darum, dass Hartmut die falsche Frage stellte."

 

 

 

 

"Nun, es gibt Fragen, die sind gar nicht sinnvoll.

Dazu gehört das berühmte "Sein oder nicht sein" aus Shakespeares Hamlet. Es ist ja gar nicht möglich, nicht zu sein.

 

Die Frage, die Hartmut zu seiner Hauptfrage machte, ist zwar denkbar, doch nicht wichtig.

Ob wir etwas tun, ob wir es lassen, bestimmt ja gar nicht unser wahres Sein. Die Antwort ändert ja nur das, was wir zu sein scheinen, nicht was wir wirklich sind, schon immer waren und für immer sein werden: der ewige SOHN GOTTES, der den VATER nie verlassen hat.

 

Ob wir lieben oder nicht, auch das ändert natürlich nicht unser Sein. Wir sind auch Liebe, wenn wir nicht lieben, wenn wir hassen. Wir können gar nichts anderes sein als Liebe, da nur Liebe ist.

Doch von der Antwort auf diese Frage hängt ab, ob wir auch wissen, wer wir sind, ob wir auch im Schein unser Sein leben.

 

Hartmuts Irrtum, sein Sich-Verirren war, dass er die weniger wichtige Frage zur wichtigsten machte, sie zu wichtig nahm, und so die wichtigste nicht wichtig genug.

Letztlich ist das einzig Wichtige, einzig Richtige, die Liebe zu leben, die wir sind -

gleich gültig, ob durch Tun, durch Lassen,

sowohl durch Tun als auch durch Lassen.

 

 

 

 

 


 

 


 

 

Publiziert am: Sonntag, 08. März 2020 (1017 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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