Anhaftung an das Nicht-Handeln

 

Er entwickelte eine Neigung zum angenehmen Nichts-Tun, zum ,,Dolce far niente". Er erlebte das Handeln immer mehr als lästigen Zwang, als etwas, was er tun musste. Und etwas tun zu müssen, störte seine Ruhe, störte seinen „glückseligen“ Frieden, aus dem er nicht rausgerissen werden wollte.


 

Sein Wahlspruch wurde immer mehr:

„Ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss.“  -

oder „im Zweifelsfall sein lassen.“

Er fing an, Lästiges vor sich her zu schieben.

Er hätte von sich sagen können:

I' m born to be lazy.

It' s easy to stay.

I hate to be busy.

I like to delay.

 

Geboren zum Faul-Sein

bleib ich da, wo ich bin.

Ich hasse das Rödeln,

schiebe gern vor mich hin.

 

Er wollte nicht mehr sehen:

Wer nur noch macht, was nötig ist,

der macht sich öde, macht sich blöde.

Wer nur noch schrumpft, versumpft,

Er macht sich dumpf und stumpf.

 

Rasten ist die Mitte zwischen Rasen und Rosten -

zeitweise, doch nicht auf Dauer.

Wenn ich zu viel gerast bin, vom Rasen genug habe,

macht es Sinn, eine Zeit lang zu rasten.

Doch wer immer rasten will, der rostet.



 

Es war nicht so, dass Hartmut lange hin und her überlegte, ob er etwas tun wollte oder nicht. Insofern hatte er keine Entscheidungsschwierigkeiten. Es ging nicht um die Warnung, die in einem Sprachgestaltungsvers (der Waldorfschulen) liegt: „Wer berät langen Rat, kommt zu spät mit der Tat.“ Es kam ja sowieso nicht zur Tat, weder schnell noch spät. Er entschied sich schnell, etwas nicht zu tun, und mit der Zeit fiel die Entscheidung, etwas nicht zu tun, immer häufiger sogar superschnell, „zeitlos“, ohne Entscheidung, ohne dass er sich entscheiden musste, wurde zu einem Automatismus.

 

Dabei schob er beiseite, was er eigentlich wusste, ja selbst geschrieben hatte.

Er wollte sich das Leben leicht machen. Dabei wusste er doch:

Wer sich das Leben leicht machen will, macht es sich schwierig.

Und wer bereit ist, es sich schwierig zu machen, macht es sich leicht.

 

Wenn ich Schwierigkeiten ausweichen will,

treffe ich auf Schwierigkeiten.

Wenn ich Schwierigkeiten vermeiden will,

ziehe ich Schwierigkeiten an.

Wenn ich Schwierigkeiten entgegen gehe,

ziehen sich die Schwierigkeiten vor mir zurück.

Wenn ich auf Schwierigkeiten treffen will,

weichen die Schwierigkeiten mir aus.

 

Wenn ich Angst vor Schwierigkeiten habe,

wenn ich sie nicht sehen will,

verfolgen sie mich.

Sie wollen mich zu ihrem Opfer machen.

 

Wenn ich ihnen mit Mut begegne,

wenn ich ihnen in die Augen sehe,

flüchten sie vor mir.

Sie wollen nicht, dass ich sie zu meinen Opfern mache.

Sie haben Angst vor mir.


In Wolfram von Eschenbachs "Parzival" geht der unbekümmert-naive Titelheld ohne jedes Anzeichen von Furcht auf eine Brücke zu. 30 Ritter, die hinter ihr als Grenzhüter warten, um unerwünschte Eindringlinge aufzuhalten, ziehen sich vor ihm hinter die sicheren Mauern der Stadt zurück. Sie denken: "So entschlossen kann nicht ein Einzelner auf eine feindliche Übermacht zugehen. Ihm folgt bestimmt ein ganzes Heer."

 

Umgekehrt: Nicht nur die Armee Napoleons wurde erst auf dem Rückzug überfallen und fast aufgerieben.


 

Hartmut wollte möglichst nicht mehr auf der Bühne des Lebens mitspielen, dort keine Rolle mehr spielen.

Er wollte nur noch im Zuschauerraum sitzen.

Auf der Bühne konnte er etwas falsch machen, eine falsche Rolle spielen, die richtige Rolle falsch spielen.

Im Zuschauerraum konnte er nichts falsch machen. Solange er zuschaute und zuhörte, machte er alles richtig.

 

Auf der Bühne des Lebens musste er entscheiden.

Er war gezwungen, in Zweifel und Zwiespalt zu leben,

in der Welt der Zwei.

Im Zuschauerraum gab es nichts zu entscheiden.

Er konnte im Einklang leben, einfach,

in der Welt der Eins.


 

Und Hartmut wollte nicht mehr im Land der Zwei leben,

nur noch im Land der Eins.

Er wollte nicht mehr suchen, um zu finden.

Er wollte finden, ohne zu suchen.

Er wollte sich nicht mehr Fragen stellen.

Er wollte sich Antworten geben, Antworten leben,

eine einzige Antwort: ,,Ja".


 

Er sagte sich:

„Ich und andere, richtig und falsch -

du verschwendest dein Leben im Streit.

Dabei bist du doch glücklich,

bist es schon.“ ( Ikkyù )


Dann sei es doch auch!

Sei einfach glücklich!

Sei doch einfach!

Sei doch glücklich!



 

 

(Später sah er ein, dass niemand, auch er nicht, die Bühne des Lebens einfach verlassen kann, dass jeder auf ihr bleiben und mitspielen, irgendeine Rolle übernehmen muss.

Er achtete dann darauf, nur in Spielen mit zu spielen, die er nicht verlieren konnte, die er schon gewonnen hatte, bevor das Spiel überhaupt begann. Oder bei denen es um nichts oder nur wenig ging, der Einsatz und mögliche Verlust nur gering war.)

 

Aber ich sollte Ihnen die Geschichte der Reihe nach, von Anfang an erzählen:

 

 

 

Publiziert am: Sonntag, 08. März 2020 (1076 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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