Hand und Wand


 

Steig' nicht mit bloßen Händen in die Eiger-Nordwand!

Du kommst nicht weit, dann stürzt du sicher ab.

Und wenn du Glück hast, brichst du dir zwei Arme;

doch wenn du Pech hast, brichst du dir den Hals.

Und wenn du glaubst - in übermütigem Wahn -

blind für Gefahr, dich masslos überschätzend,

du müsstest es doch wenigstens versuchen,

und du dann abgestürzt am Boden liegst -

nur Gott sei Dank aus vielen Wunden blutend,

mit Prellungen am Bein und mit gebrochener Schulter -

dann gib doch auf, versuche es nicht wieder!

Sieh ein: „Die Eiger-Nord Wand ist nicht zu ersteigen

mit den begrenzten Mitteln, die ich nun mal hab´ "!


 

Oft sind auch andere Menschen eine solche Wand.

Sie lassen sich von deiner Hand nicht drücken;

sie lassen sich von deiner Hand nicht zieh'n.

Sie bleiben einfach da steh'n, wo sie sind.

Doch eine Wand gibt es, die du bewegen kannst -

ganz einfach, sicher und zu jeder Zeit:

Das bist du selbst; du kannst dich selbst bewegen.

Du musst ja gar nicht eine schwere andere Wand

mühsam verkrampft verrücken und verschieben.


 

Wenn eine Wand dir anscheinend den Weg versperrt,

bleib nicht weit vor ihr schon entmutigt steh’n!

Geh' weiter vorwärts, bis du sie erreicht hast!

Berühr sie und erfühle mit der Hand,

ob sie dich wirklich aufhält, dich behindert,

als harte Mauer, die aus Steinen fest gefügt!

Vielleicht ist ja die Wand nur weiche, dünne Pappe.

Wenn sie aus Stein ist - wie die meisten Wände,

versuche doch nicht, überspannt verkrampft,

sie mit den bloßen Händen einzudrücken,

gewaltsam umzustoßen mit geballter roher Kraft!


 

Bleib' also nicht schon stehen vor der Wand!

Erst an der Mauer kannst du ja erproben,

wie stark der Widerstand tatsächlich ist,

den sie dir bietet, dir entgegenstellt.

Drück’ auch nicht sinnlos gegen eine starke Wand!

Berühre sie! Erfühle sie! Erfahre sie!

Dann tust du nicht zu viel und nicht zu wenig.

Dann lebst du in der "goldenen Mitte".


 

Versuche nicht mit deiner Hand, Felswände zu zerreiben!

Harter Granit zerreibt die Hand -

und nicht die Hand den Felsen.

Reib' dich nicht auf, reib' dich nicht ab, doch reibe dich!

Reibung ist ja Lebendigkeit, bringt Wärme!

Ein Leben ohne Reibung wär´ auch öd' und kalt.

Doch reibe dich nicht sinnlos an der Wirklichkeit!

Reib' dich in ihr, nicht gegen sie!


 

Die Wirklichkeit, sie ist mit Allmacht, wie sie ist.

Von dieser Allmacht nutze das, was dir gehört,

das, was dazugehört zu deinem eigenen Leben!

Hier hast du Anteil an der Allmacht,

bist du selbst allmächtig.

Doch wenn du haderst mit dem Teil von ihr,

der außerhalb von dir liegt, jenseits deiner Grenzen,

erklärst du dem Allmächtigen den Krieg,

fängst einen Kampf an, den du nur verlieren kannst,

du schon verloren hast, bevor du ihn beginnst.




 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (875 mal gelesen)
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