Wachttürme schützen nicht


Im Folgenden geht es nicht

um Schutz-Handlungen

gegenüber einem tatsächlichen Feind,

der jetzt da ist,

den ich mit meinen Augen sehe,

der jetzt gegen meine Mauer rennt.

 

Es geht

um eine Schutz-Haltung

gegenüber einem möglichen Feind,

der jetzt noch gar nicht da ist,

der vielleicht niemals kommt,

den ich in meinem Kopf erfinde.




Wachttürme schützen nicht


Wer sich vor Anderen schützen will,

der bringt sich in Gefahr,

erschafft sich selber den als Feind,

der vorher keiner war;

weckt andere erst zum Kampfe auf,

macht sich so angreifbar.

Wenn du dich schützen willst durch Zäune, hinter Mauern,

lädst du nur Räuber ein, davor auf dich zu lauern.

Wenn du dich sichern willst mit Wällen und mit Türmen,

lädst du nur dazu ein, sie mit Gewalt zu stürmen.

 

 


Stell' dir, lieber Leser, einmal Folgendes vor:

Irgendwo mitten in großen Wäldern liegt abgeschieden ein Dorf. Weil es so abgelegen und schwer erreichbar ist, wird es von anderen Menschen kaum bemerkt. Nur wenige wissen überhaupt, daß es existiert. Das Dorf lebt unbeschwert und in Frieden.

Eines Tages kommen die Dorfbewohner auf die Idee, es könnte sich ja im Schutz der dichten Wälder unbemerkt ein Feind an das Dorf heranschleichen und es plötzlich überfallen. Also fällen sie in einem Umkreis von 100 Metern um das Dorf herum alle Bäume. Und da die Bäume nun sowieso herumliegen, beschließen sie, ihr Holz dazu zu nutzen, eine ganze Reihe hoher Wachttürme zu bauen, um sich zusätzlich vor der Gefahr eines feindlichen Angriffs zu schützen.

Damit ändert sich das Leben im Dorf. Es reicht ja nicht aus, daß die vielen Wachttürme jetzt da stehen, sie müssen ja auch mit Wachen besetzt werden. Die Dorfleute verbringen ihre Zeit abwechselnd im Wachdienst auf den vielen Türmen. Es werden keine Feste mehr gefeiert, weil immer ein Teil der Dörfler fehlt, die jungen Leute haben keine Zeit und Gelegenheit mehr, sich kennen zu lernen und sich ineinander zu verlieben. Es finden kaum noch Hochzeiten statt. Nach einigen Generationen müsste das Dorf aufgrund des Bevölkerungsschwunds aufgegeben werden, auch ohne den befürchteten feindlichen Überfall. Der Versuch, das Leben im Dorf gegen eine Gefahr zu schützen, hätte genau zum Gegenteil geführt. Die Ausrichtung der Wahrnehmung auf das, was man vermeiden wollte, hätte das, was man nicht will, selbst herbeigeführt.

Aber das Dorf braucht gar nicht so lange, um sich durch die negative Aufmerksamkeit selbst zu zerstören: Im weiten Abstand zieht ein Handelsweg an dem Dorf vorbei. Auf ihm waren immer schon Kaufleute gereist, um ihre Waren in andere Länder zu bringen und sie dort zu verkaufen. Bisher hatten sie das abgelegene, unbedeutende Dorf kaum zur Kenntnis genommen. Jetzt aber kommt wieder ein Kaufmann, der zu einem mächtigen fremden Volk gehört, in der Nähe des Dorfes vorbei. Er sieht die neuen Wachttürme und denkt sich: Wenn dieses Dorf so viele Türme baut, um sich zu schützen, dann muß dort etwas zu holen sein. Sicher ist im Dorf ein großer Schatz verborgen. Sobald er wieder zu Hause ist, berichtet er seinem König von dem, was er gesehen hat. Der König sammelt ein großes Heer und zieht damit zu dem Dorf und überfällt es. Die Dorfleute bemerken zwar wegen der Wachttürme, daß das Heer herannaht. Das nützt ihnen jedoch wenig: Sie sind der Übermacht nicht gewachsen. Der größte Teil fällt im Kampf gegen das feindliche Heer, die anderen werden gefangengenommen und auf dem Sklavenmarkt verkauft.



Stelle dir nicht als Phantasie über die Zukunft vor,

was als Erfahrung gegenwärtig gar nicht da ist!

Und wenn du schon mit deinem Kopf erfindest,

was mit den Augen jetzt gar nicht zu finden ist,

erfinde doch nicht das, was schädlich ist!

Lass' dich doch in der Innenwelt nicht das erleben,

was du ja in der Außenwelt gar nicht erleben willst!

Richte den Geist doch nicht auf das, was du nicht wünschst!

Du trägst sonst selber dazu bei, dass es geschieht,

nicht nur in deinem Kopf, auch draußen in der Welt.

Denn das, was innen ist, das zieht das Äußere an.

Richte den Geist einfach auf das, was du dir wünschst!

Dann sind das Innere und das Äußere im Einklang,

dann ziehen sie sich gegenseitig an,

werden zur einen, ungetrennten Wirklichkeit.


 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (837 mal gelesen)
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