Der Andere und du


 

Der Andere ist nicht du.

Er ist kein Teil von dir.

Er ist nicht deine Hand.

Er ist auch nicht dein Fuß.

 

Er ist nicht auf der Welt,

um so zu sein wie du.

Er ist nicht auf der Welt

um, was du willst, zu tun.

Er ist nicht auf der Welt,

um, was du willst, zu sein.

 

 

 


Auf der Welt ist er,

um er zu werden.

Auf der Welt ist er,

um er zu sein.

 

Auf der Welt ist er,

um, was er will, zu tun.

Auf der Welt ist er,

um, was er will, zu sein.

 


 

 

Du bist nicht der Andere.

Du bist kein Teil von ihm.

Du bist nicht seine Hand.

Du bist auch nicht sein Fuß.

 

Du bist nicht auf der Welt,

um so zu sein wie er.

Du bist nicht auf der Welt,

um, was er will, zu tun.

Du bist nicht auf der Welt,

um, was er will, zu sein.

 

Auf der Welt bist du,

um du zu werden.

Auf der Welt bist du,

um du zu sein.

 

Auf der Welt bist du,

um, was du willst, zu tun.

Auf der Welt bist du,

um, was du willst, zu sein.





Kommentar:

 

Wenn du ein Mensch bist,

der einen Anderen als Anderen sieht,

dann kannst du nicht auf Dauer mit einem Menschen zusammenleben,

der dich als einen Teil von sich sieht,

als seinen Mund, als seinen Fuß, als seine Hand.

 

Wenn du dein Anders-Sein vertrittst,

begehst du in den Augen des Anderen,

der ja kein Anderer sein will,

der auch nicht will, dass du ein Anderer bist,

heimtückisch, hinterlistig Hochverrat,

hast Zorn und Wut verdient, Strafe und Rache,

wie seine Hand, die nicht mehr ihm gehorcht,

die sich nicht mehr bewegt, wie er es will

die sich von selbst bewegt, wie sie es will.

Von seiner Hand erwartet er zu Recht Gehorsam.

Du aber bist nicht seine Hand.

 

Wenn du dein Anders-Sein verleugnest,

wenn du dein Anders-Sein verrätst,

gibst du dich selber auf.

Dann kannst du nicht mehr wachsen,

dann kannst du nicht mehr werden,

zu dem, was du sein willst,

zu dem, was du sein kannst.

 

 

Wenn du ein Mensch bist,

der einen Anderen als einen Teil von dir sieht,

kann auf die Dauer kein Mensch mit dir leben,

der dich als einen anderen sieht,

der sich als einen Anderen sieht.








 

Es ist nicht unsere Aufgabe, einander näher zu kommen,

so wenig wie Sonne und Mond zueinander kommen oder Meer und Land.

Unser Ziel ist es, einander zu erkennen

und einer im Anderen das zu sehen und ehren zu lernen, was er ist:

des Anderen Gegenstück und Ergänzung.

 

(Hermann Hesse)

 







 

Publiziert am: Dienstag, 03. März 2020 (855 mal gelesen)
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