Wenige und viele


 

Viele sind pragmatisch,

nur wenige fanatisch.

 

Viele sind begabt,

nur wenige begnadet.

 

Viele sind normal,

ihr Leben ist trivial,

nur wenige sind genial.
 


Viele sind berufs-tätig

in einem großen Werk -

nur wenige berufen

zu einem großen Werk.

 

 

Es gibt viele, die beten,

viel weniger Asketen,

noch weniger Propheten.


 

Nicht jedes Wirken schafft ein Menschheitswerk.

Nicht jede Schauer füllt den Bodensee.

Ein Riesenschloss baut auch kein starker Zwerg.

Nicht jeder Bürger wird in seinem Ort OB.
 

Wirf dir deshalb nicht vor, dass du kein Riese bist.

Nicht jeder Mensch kann ja ein Hüne sein.

Doch Menschen-Wert und Menschen-Recht hat jeder,

ganz gleich, ob er nun groß ist oder klein.





Frag’ dich nicht selbst, ob du berufen bist!

Sag’ dir nicht selbst, dass du berufen bist!

Wenn du berufen bist, wirst du gerufen.

(von einer Stimme, die nicht überhörbar ist)

 

Und wenn du nicht berufen bist, sei nicht betrübt!

Gerufen-Werden ist nicht reine Wonne.

Es weht ein kalter Wind auf Gipfelhöh’n,

nur an des Berges Hängen wärmt die Sonne.
 

 

 

 

Doch wenn die Himmelstimme ruft,

dann lauf nicht vor ihr weg!

Halte dir nicht die Ohren zu!

Das hat dann keinen Zweck.

 

Die Stimme ruft ja in dir selbst.

Du kannst dich nicht verstecken.

Sie findet dich doch überall

selbst in den fernsten Ecken.







Kommentar:

 

 

Die meisten Menschen schätzen keine Utopien

(im Griechischen „etwas ohne Ort“),.

 

Sie mögen keine weit gespannten Ziele, hoch gesteckt,

der Gegenwart noch unerreichbar fern und fremd,

für die es jetzt noch keinen Platz gibt auf der Erde,

die nur in körperlosen Höhen der Ideen -

blutleer dort ihren Wohnsitz finden können, wo

die Luft zu dünn, der Atem nur noch schwer geht,

in Schatten-Häusern ohne festen Boden,

mit Wänden, die nicht breit und schwer genug,

um sicher stehend auch das Dach zu tragen.

 

Die Mehrzahl liebt,

was Hand und Fuß hat - auf der Erde - ,

was man mit Augen sehen und mit Ohren hören,

mit Händen fühlen, tasten, greifen,

zu Fuß betreten und begehen kann:

das Haar der Kinder, das zu kämmen ist,

das Fell der Katze, das zu kraulen ist,

den Apfel und die Blumen, die zu pflücken sind,

den Weg zum Bäcker, Modeladen und zum Obstverkäufer,

zum Schuhgeschäft, zur Bücherei und zum Friseur,

zur Tür der lieben Schwester, kranken „Oma“, netten Nachbarin,

zu Tanzfest, Hochzeit und Geburtstagsfeier,

zum Treffen mit der Freundin im Café,

zum Flötenkonzert, zum Museum, ins Theater,

zur Dichterlesung im Gemeindehaus,

zum Flohmarkt, Klassentreffen, Brunch mit Ex- Kollegen.


 

 

Einige Menschen, nur wenige - fühlen sich dazu gedrängt,

über das Lebbare, Lebenswerte und Liebenswerte hinaus zu dem vorzudringen, was nicht mehr lebbar, noch nicht lebbar ist.


 

Oft sterben sie am Kreuz, das sie sich selbst erwählt,

verirrt und hoffnungslos verloren

im Neuland, das noch nie vorher betreten,

trostlos verschollen in der Wüste Einsamkeit,

von einer steilen Felswand in den Tod gestürzt,

verwirrt, verrückt, dem Wahn verfallen,

durch Worte, die bisher noch nie gedacht,

die allzu kühn die engen Mauern sprengten.

Doch manchmal bringen sie von himmelsnahen Bergen,

von leeren Wüsten, fernen Meeren und aus Schluchten, abgrundtief,

von Göttern, Geistern, Engeln, (auch Dämonen!)

heilsame Botschaft, neu die Richtung weisend,

zurück zu denen, die - beschützt von Zäunen -

im Grün der Täler unbefangen leben,

was einfach machbar und was liebens-wert.

 





 

Publiziert am: Montag, 02. März 2020 (994 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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