Ohne Ziel


 

Nichts mehr erreichen, nichts mehr schaffen,

was schon geschafft ist, reicht;

den Weg nicht durch ein Ziel beschweren;

nur ziellos geh’ ich leicht.

 

Ohne ein Ziel bin ich das Geh’n,

bleib ich im Gehen steh’n,

husche nicht viel zu schnell vorbei,

hab’ Zeit, wirklich zu seh’n.

 

Ohne ein Ziel bin ich ganz hier,

bin nicht schon hier halb weg.

Ohne ein Ziel leb ich ganz jetzt,

absichtslos ohne Zweck.

 

Ich bin dann immer auf dem Weg,

kann mich ja nicht verirren.

Die Frage, ob der Weg noch stimmt,

kann mich nicht mehr verwirren;

 

Ich kann mich treiben lassen,

weil es nichts gibt, was treibt,

nichts, was mich zieht, nichts, was mich drückt ,

was hier ist, auch hier bleibt.



Ich hab' dann alle Zeit der Welt,

muss das, was ist, nicht ändern.

Nicht lockt Erfolg, nicht reizt mich Geld,

nicht Glanz in Prunkgewändern.

 

Ich muss nichts anders machen,

muss nur, was ist, ergreifen.

Ich führe fort, was schon geschieht,

lass’ es von selber reifen.

Ich kann, von keiner Macht gelenkt,

frei wehen wie der Wind.

Ich kann zu allen Orten schweifen,

da alle richtig sind.


 

Nicht wie ein Esel festgelegt

stur auf bekannte Spur;

offen für dies und auch für das,

beschränkt nicht auf ein „Nur“.



Gehen ist dann des Gehens Zweck;

Ich geh' nur, um zu gehen;

will nicht dort hin, nicht von hier weg,

könnt hier auch bleiben stehen.

 

Nur weil es Spaß macht, reg’ ich mich,

reg’ mich, um mich zu regen,

bewege mich, weil ich es will -

auch frei von allen Wegen.



Ich drehe mich gelöst im Kreis,

hör' auf, wo ich beginn.

Hätt' ich ein Ziel, wär' das sehr dumm.

Es machte keinen Sinn.
 

Liefe ich nur im Kreis herum,

käm ich nirgendwo hin.

Mit einem Ziel wär das verrückt,

brächte ja nicht Gewinn.

Doch ziellos drehe ich mich nun

wirbelnd im raschen Tanz,

nicht abgebremst mit halber Kraft,

nein rauschhaft, voll und ganz.
 

Ohne ein Ziel kann ich entzückt

auf Blumenwiesen träumen -

von Duft und Farbenpracht betört.

Ich kann ja nichts versäumen.

 

Und auf der Wiese ist nicht wichtig,

ob ich krieche oder schleich’ .

Auch Stolpern, Straucheln sind hier richtig;

Selbst wenn ich stürz’, fall’ ich ja weich.

Selbst wenn ich dann am Boden liege,

zwingt mich doch nichts, schnell aufzusteh’n.

Da, wo ich stürzte, bleib ich liegen;

Ich muss ja nicht rasch weiter gehen.



Ohne Ziel ist alles einfach.

Ohne Ziel ist alles Spiel.

Ohne Ziel ist nichts zu schwierig.

Ohne Ziel ist nichts zu viel.



Doch kann ich wirklich immer

ziel-frei durch Wiesen geh'n?

Kann ich denn immer weg-frei

mich selbst im Kreise dreh'n,

Bleibt ohne Weg und Ziele

denn nicht mein Leben steh'n?






 


Kommentar

Gehen ohne ein Ziel, das geht nicht immer.

Es kann daher nicht letztlich darum geh'n,

ziel-los zu geh'n, von einem Ziel befreit.
 

Es geht darum, mit einem Ziel ohne ein Ziel zu sein.

Es geht darum, schon auf dem Weg am Ziel zu sein.
 

Es geht darum, während ich geh', das Ziel nicht fest zu halten,

es auf dem Weg nicht zu be-halten, nicht im Kopf zu halten,

sondern es los zu lassen und vorübergehend zu vergessen,

um meinen Geist nicht zwischen Weg und Ziel zu spalten.

 


 

 

 

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Publiziert am: Freitag, 28. Februar 2020 (1005 mal gelesen)
Copyright © by Rudolfo Kithera

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