Dass sie sich heftig stritten, ....

„König und Papst, der germanische und der römische Weltherrscher, standen sich Auge in Auge gegenüber, die Brust voll Hass und Rache, aber gelähmt durch das Bewusstsein, untrennbar miteinander verbunden zu sein. Sie waren nicht zwei Herrscher, von denen jeder des anderen Reich besitzen, von denen jeder den anderen vernichten möchte; sie waren unlöslich miteinander verwachsen und ineinander verbissen, und immer wieder kamen Augenblicke, wo ihnen das klar wurde. Der Papst begründete seinen weltlichen Besitz auf Schenkungen der Kaiser, die Kaiser empfingen ihre Krone in Rom durch den Papst, die Völker sahen zu ihnen beiden als zur Spitze der Christenheit auf; sie waren aufeinander angewiesen und konnten höchstens durch einen Personenwechsel vorübergehend zu gewinnen hoffen. Beide waren mächtig, wenn auch auf verschiedene Weise: dem Papst gehörte nur eine kleine Provinz, aber er herrschte über die religiösen Gefühle und Gedanken aller Christen, und sein Thron stand auf den Trümmern der alten Weltstadt Rom; der König war der Anführer der deutschen Ritter, die an die Stelle der römischen Legionen getreten waren, aber ihm gehörte nur, was er sich aus eigener Kraft unterwarf. Beide konnten sich gegeneinander ihrer Macht nur soweit bedienen, als sie nicht sich selbst damit verletzten.

(Ricarda Huch, Römisches Reich deutscher Nation)

 

Dass sie diese rote Linie (z.B durch entwürdigende Beschimpfungen und Beleidigungen) dennoch überschritten, führte letztlich zur gegenseitigen Schwächung und zum Erstarken neuer dritter Kräfte. "Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte."

Um sich deren Unterstützung im Kampf gegen den Papst zu sichern, musste der Kaiser (besonders Friedrich der Zweite) wichtige Rechte des deutschen Königs an die sowieso schon einflussreichen, ständig zur Rebellion neigenden Reichsfürsten abtreten, die dadurch zu weitgehend unabhängigen Landesherren wurden. Das römische Reich deutscher Nation  zersplitterte zunehmend in einen chaotischen Flickenteppich von Kleinstaaten.

Durch die Schwächung der Kaisermacht zerfiel die Einheit des Abendlands in ein Neben- und Gegeneinander einzelner Nationen. Unter ihnen stieg Frankreich zur stärksten, führenden Macht Europas auf.

Auch die Päpste mussten den vollständigen „Endsieg“ im Vernichtungskrieg gegen die Stauferkaiser, der zum Untergang dieser Dynastie führte, schließlich teuer bezahlen. Sie gerieten schon bald in die Abhängigkeit vom erstarkten französischen Königtum, waren sogar gezwungen, in Avignon zu residieren. Es begann die über hundertjährige „Babylonische Gefangenschaft der Kirche“. Das Papsttum wurde zum Spielball französischer Machtinteressen und büßte seine Autorität als überparteiliche Macht in Europa ein.

Dieses Auseinanderbrechen der in sich geschlossenen, „heilen“ und „heiligen“ mittelalterlichen Welt war vielleicht notwendig für den inneren und äußeren Aufbruch zu neuen Ufern in der Neuzeit, deshalb unvermeidlich und wäre in irgendeiner Form sowieso geschehen. Durch den Kampf zwischen Kaiser und Papst geschah die Geschichte - vielleicht etwas früher und schneller -  eben so, wie sie geschehen ist. 

Publiziert am: Mittwoch, 19. Februar 2020 (963 mal gelesen)
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